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Die im Online-Archiv NS-Zwangsarbeit präsentierten Objekte sind Bestandteil des Archivs des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit. Ein Großteil des im Online-Archiv präsentierten Archivguts stammt aus der Sammlung der Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (BGW) die dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit als Dauerleihgabe im Jahr 2011 übergeben wurde. Die Sammlung ist auf Projekte zur Erforschung der Schicksale der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den 90er Jahren zurückzuführen. Über einen Aufruf wurden Betroffenenverbände, schwerpunktmäßig aus Osteuropa (Polen, Russland, Tschechien), kontaktiert. Dieser Aufruf zog eine hohe Zahl an Rückmeldung von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern nach sich, zunächst in Form von narrativen, ausführlichen Briefen, in denen sich oft Fotografien und Dokumente befanden. Nachfolgend haben sich einige bereit erklärt, an einem audiovisuellen Interview teilzunehmen. Das analoge Archivgut konnte im Rahmen der Förderprogramme der Kulturverwaltung des Berliner Senats zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes in den Jahren 2014 und 2015 digitalisiert werden. In die Teilsammlung wurden ebenfalls Video-Interviews aufgenommen, die im Rahmen der Arbeit an der Dauerausstellung „Alltag Zwangsarbeit 1938–1945“ geführt wurden. Die Mitarbeiter*innen des Ausstellungsteams reisten dafür nach Tschechien, in die Ukraine, nach Italien, in die Niederlande und nach Frankreich. Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ war hier eine wichtiger Projektpartnerin, da sie die Bereitstellung und Aufbereitung der Interviews für Medienstationen in der Dauerausstellung unterstützte. Zum Sammlungsbestand gehören außerdem Zeitzeugen-Interviews mit ehemaligen Italienischen Militärinternierten, die das Dokumentationszentrum von dem Verein autofocus Videowerkstatt e.V. im Jahr 2006 erhielt. Die Teilsammlung ist nicht geschlossen und befindet sich im stetigen Aufbau. Im Rahmen des Forschungsprojektes über die Batteriefabrik Pertrix wurden zuletzt ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Polen, in der Ukraine, in den Niederlanden und in den USA interviewt.
Den Alltag der zur Arbeit verschleppten Männer, Frauen und Kinder bestimmte maßgeblich die NS-Ideologie. Die Behandlung richtete sich nach der nationalsozialistischen Rassenhierarchie, nach der nationalen Herkunft und den jeweiligen „Kategorien“ (KZ-Häftlinge, Strafgefangene, zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene). Westeuropäer*innen wurden besser behandelt, hatten größere Bewegungsfreiräume und bekamen eine bessere Verpflegung. Osteuropäer*innen, die nach der NS-Rassenhierarchie als minderwertig galten, litten unter diskriminierenden Erlassen. Sowjetbürger*innen bezeichnete man als „Ostarbeiter“. Entsprechend den Polen- und Ostarbeitererlassen mussten sie Abzeichen auf der Kleidung tragen. Für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entstanden Sammelunterkünfte verschiedenster Art, so mussten manche beispielsweise leerstehende Turnhallen oder Gaststätten beziehen. Die Versorgung insgesamt war mangelhaft. Hunger, mangelnde Gesundheitsfürsorge, unzureichende Bekleidung und schlechte hygienische Bedingungen waren an der Tagesordnung. Hinzu kamen ständige Bombardierungen der großen Städte, denen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ungleich stärker ausgesetzt waren, als die deutsche Bevölkerung. Ihnen standen in den Lagern und Betrieben lediglich Splitterschutzgräben zur Verfügung. Die Arbeitsbelastung war überdurchschnittlich hoch. In Tag- oder Nachtschichten arbeiten sie im Akkord bis zu zwölf Stunden und das meist ohne Schutzkleidung, Pausen und wenig Essen. Lohn wurde zwar bezahlt, doch auch hier griff ein abgestuftes rassistisches System: War die Person aufgrund ihrer „Rasse“ vermeintlich weniger wert, gab es weniger Lohn.
Der NS-Staat zwang Menschen aus ganz Europa für die deutsche Kriegswirtschaft zu arbeiten. Für die Rekrutierung zur Zwangsarbeit im Reichsgebiet leiteten die Deutschen in den besetzten Gebieten die lokalen Arbeitsverwaltungen. Von Berlin aus steuerte die 1942 gegründete Sonderbehörde der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“, unter der Leitung von Fritz Sauckel, die Organisation des Systems NS-Zwangsarbeit. Zu Beginn versuchte man Männer und Frauen freiwillig anzuwerben, z.B. im Rahmen von Plakataktionen. Diese Werbungsversuche hatten nur kurzfristig Erfolg und es folgten Zwangsmaßnahmen, bei denen Personen gegen ihren Willen ins Reichsgebiet verschleppt wurden. In Osteuropa fanden Razzien statt, in denen gesamte Dorfgemeinschaften auf Transport in das Deutsche Reich gehen mussten. Das Online-Archiv NS-Zwangsarbeit des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit enthält Quellenmaterial von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, der Tschechien, der Ukraine, Polen und der ehemaligen Sowjetunion.
Das Online-Archiv NS-Zwangsarbeit ist eine digitale Sammlung des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin. Es beinhaltet lebensgeschichtliches Quellenmaterial in Form von audiovisuellen Interviews, Briefen, Fotografien und Dokumenten ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die seit den 90er Jahren bis heute durchgeführt bzw. gesammelt wurden. Die kontextualisierte Erschließung erfolgt über Metadaten, Inhaltsangaben, Verzeichnisse und Kurzbiografien. Der multilinguale Bestand enthält deutschsprachige Abschriften. Außerdem sind alle Interviews inhaltlich nach Timecodes segmentiert und werden von laufenden Transkriptionen und Übersetzungen begleitet. Die umfangreiche Volltextsuche mit angebundener Texterkennung, eine Suche nach Kategorien und nach Schlagworten bieten den Nutzer*innen mehrere Möglichkeiten der Recherche. Der Zugang zum Online-Archiv kann aus Gründen des Persönlichkeits- und Urheberschutzes nur über eine personenbezogene Registrierung gewährleistet werden. Beim berechtigten Interesse und Anerkennung der Nutzungsbedingungen erhalten Nutzer*innen ein Passwort für die Anmeldung. Ein Teil der Interviews ist für die Webpräsentation aufbereitet worden. Unbearbeitete Originalfassungen können auf schriftliche Anfrage im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit gesichtet werden.
Zwischen 1938 und 1945 etablierte der nationalsozialistische Staat das größte Zwangsarbeitssystem in Europa seit der Antike. Rund 26 Millionen Menschen – Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, in Arbeitshäusern Inhaftierte, Kriegsgefangene, Zivilarbeitende, und KZ-Häftlinge – mussten im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten arbeiten. Um die größte Gruppe, die zivilen Zwangsarbeitenden, unterzubringen, richteten Betriebe, der Staat und Arbeitsverwaltungen etwa 30.000 Lager ein. Zivile Zwangsarbeitende waren Privatpersonen, die gegen ihren Willen (bis hin zur Gewaltanwendung) zur Arbeit eingesetzt wurden. Sie konnten während des Zwangseinsatzes weder ihren Arbeitsplatz frei bestimmten, noch Einfluss auf die Umstände ihres Arbeitseinsatzes nehmen. Zwangsarbeit war während des Nationalsozialismus ein allgegenwärtiges Massenphänomen, das alle Bereiche betraf: die deutsche Industrie, mittelständische Unternehmen, die Landwirtschaft, Privathaushalte, Kommunen oder Kirchen. Der deutschen Bevölkerung war dieses System allgegenwärtig. Beispielsweise entstanden vor aller Augen Barackenlager. Für die Stadt Berlin sind etwa 3000 Standorte von Sammelunterkünften für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter überliefert. Die Beteiligung der Deutschen am System NS-Zwangsarbeit erstreckte sich über das Spektrum von Täterinen und Tätern, Profiteuren und Profiteurinnen, Zuschauerinnen und Zuschauern, und Helferinnen und Helfern.