Abschrift: xxxxx

25.1.1998

Mein Lebenslauf und zugleich meine Erinnerungen aus der Zeit der deutschen Besatzung 1939-1945.

Mein Name ist xxxxx Ich wurde geboren am 24. Juli 1928 in Lodz, wohnte früher in der Pomorska-Straße 14 m. 13, während der Besatzung Fridericusstraße in Litzmannstadt. 1939 ging ich in die vierte Klasse der Grundschule. 1940 wurde ich vom hiesigen Arbeitsamt erfasst und zur Arbeit geschickt. Als 12jähriger arbeitete ich in den Wollwerken Menning-Lange in Litzmannstadt in der Braunkehofstraße 6, einem Betrieb, der früher Wollwaren-Industrie xxxxx hieß.
In diesem Betrieb arbeitete ich bis 1941 als Weber. Am 22. November 1941 wurde ich von dort abgeholt und in das Übergangslager (heute ist dort ein Gefängnis) in der Kopernik-Straße gebracht. Nach ein paar Tagen wurden wir (denn ich war nicht alleine, es gab dort einige Dutzende von Menschen) zum Bahnhof Lodz-Kaliska geführt. Wir alle wurden in die Viehwaggons eingeladen und nach Deutschland gebracht. Wie sich herausstellte, war es zunächst ein zweites Übergangslager, nur daß es dort hunderte von jungen und älteren Leuten gab. Das war im Ort Brandenburg.
Nach ein paar Tagen kamen Käufer in dieses Lager und suchten sich diejenigen aus, die ihren Erwartungen entsprachen (die sogenannte Selektion). Die Käufer nahmen jeweils einige Dutzend Menschen mit. Wir wurden dann mit einem Güterzug in verschiedene Orten gefahren. Zusammen mit mir waren Jungen und Mädchen aus demselben Betrieb in Lodz, wo wir alle arbeiteten. Nach über zwölf Stunden Fahrt kamen wir in Luckenwalde an. Außerhalb von dem Städtchen standen für uns Baracken bereit, und wir wurden dorthin geführt. Es war schon das dritte Lager. Dort gab es auch Kriegsgefangene: Franzosen, Serben, Rumänen, Russen und viele andere Ausländer.
Wir Polen wurden in der ersten Baracke, gleich am Eingang untergebracht. Denn die Kriegsgefangenen wurden von den anderen Baracken mit Stacheldraht abgetrennt. Wir wurden auf die Stuben verteilt, und es gab fünf Stuben in einer Baracke. In jeder Stube standen 24 Etagenpritschen, also wohnten in einer Stube 48 Personen, getrennt Männer und Frauen. Es gab dort einen Eisenofen zum Heizen, aber wir benutzten ihn ganz wenig, da der Heizstoff fehlte und die Zuteilungen sehr klein waren. Nach allen Vorbereitungen wurden wir in den Betrieb geführt. Es war ein Rüstungsbetrieb. Sein Name war Nord-Euma. Dann wies man uns die Arbeitsstellen zu. Die meisten Mädchen und Jungen sollten lernen, an den Dreh- und Werkzeugmaschinen zu arbeiten, mit denen man Läufe, Schlösser und Zündnadeln für schwere Maschinengewehre stanzte und bearbeitete. Ich war vielleicht am schlimmsten dran, denn ich landete bei den Härteöfen. In der Härterei war es sehr heiß, von diesen Öfen. Ich bediente zwei Öfen. Im ersten wurden diese Läufe trocken erhitzt. Im zweiten gab es die flüssige Legierung, zur Weißglut erhitzt. Aus einem Ofen wurden jeweils vier Stück von diesen Läufen von einem Kran mit solchen Klammerhaken herausgenommen und dann in den zweiten Ofen hineingeschoben, in dem die Weißglut war. Die Enden von den Läufen wurden in diese flüssige Masse eingetaucht. Der ganze Vorgang dauerte 15 Minuten. Dann nahm man sie wieder heraus, tauchte sie in ein Fass mit Öl ein, und drehte sie ununterbrochen, bis sie ausgehärtet waren. Dann wurden sie auf einen Ständer zur Kontrolle gestellt. Der Vorgang wiederholte sich: Die einen wurden erhitzt, während die anderen gehärtet wurden. Und das 12 Stunden lang. So lange dauerte eben die Arbeit an diesen Öfen.
Nach diesen 12 Stunden gingen wir ins Lager, in die Baracken zurück. In einer Baracke war die Küche, in der wir mit unseren Schüsseln das Mittagessen abholten. Eine Portion bestand aus der Suppe, einer Brotscheibe, ein paar Kartoffeln oder Graupen. Was die Lebensmittelkarten betrifft, weiß ich nicht mehr, ob wir sie bekamen, aber vermutlich schon. Entlohnung bekamen wir in Höhe von ein paar Mark, was jedoch nicht bedeutete, dass man dafür etwas kaufen konnte. Es gab keine kulturelle Unterhaltung, ins Kino konnten wir nicht, denn es war „Für Polen verboten“ (im Original auf Deutsch - Anm. d. Ü.), in die Kirche gingen wir nicht, da wir am Aufschlag ein Abzeichen mit dem Buchstaben „P“ angenäht hatten. Und wir wollten keine Repressionen provozieren, seitens der Hitlerjugend zum Beispiel.
Es gab ein unangenehmes Vorkommnis. In unseren Baracken vermehrten sich aufgrund schlechter sanitärer und hygienischer Bedingungen Wanzen und anderes Ungeziefer. Die deutschen Arbeiter, die neben uns arbeiteten, beklagten sich bei ihren Vorgesetzten, dass wir Ausländer von unseren Baracken in den Kleidern die Wanzen und andere Insekten übertragen, die sie später zu sich nach Hause bringen. Man machte uns also eine Quarantäne und zwei Nächte lang schliefen wir unter freiem Himmel auf der Erde. Unterdessen wurde in den Stuben die Desinfektion durchgeführt. Es war sehr unangenehm, da die Bewohner dieses Städtchens die Straße entlang gingen, während wir neben der Baracken unter den Decken lagen. Sie schauten uns an, manche hatten Mitleid mit uns und senkten nur den Kopf.
Nach der Kapitulation des 3. Reiches eilten alle zur Bahnstation, in der Hoffnung, einen Zug zu finden, mit dem man in die Heimat, zu den Eltern und Geschwistern, die übrigens auch in Deutschland bei der Zwangsarbeit waren, zurückkehren könnte.
Die Rückkehr war schwer, aber irgendwie gelangte ich in meiner Heimatstadt Lodz an. Nach einer kurzen Erholung ging ich zu meinem alten Betrieb, ... , in dem ich als Weber arbeitete. ...
Ich verbleibe hochachtungsvoll und hoffe, daß mein Bericht für die Geschichte und die Wissenschaft nützlich sein wird.

xxxxx


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    dzsw1463.2: Dokument (Kopie), Arbeitskarte des ehemaligen Zwangsarbeiters Edward G.; Arbeitsstelle Nord-Euma, Luckenwalde; ausgestellt am 27.10.1943
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    Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Franciszek S.: Gruppenbild mit 12 Personen; (Berlin-Luckenwalde, 26.05.194?)
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DZSW 1463
Kurzbeschreibung

Sehr früh, im Alter von 12 Jahren, erfasste das Arbeitsamt Franciszek S. Bis zu seiner Deportation musste er in einer Wollfabrik arbeiten. In Brandenburg wurde er in einem Rüstungsbetrieb eingesetzt, wo er an sehr heissen Öfen tätig war.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1928

 

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Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

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Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Franciszek S.: Gruppenbild mit 12 Personen; (Berlin-Luckenwalde, 26.05.194?)
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