Abschrift: Xxxxx

Ich, xxxxx, geborene Bas, wurde 1942 nach Berlin verschleppt. Vom Bahnhof fuhr man uns mit der S-Bahn ins Lager. Es war ein Haus mit drei Räumen. Da wir 120 Mädchen waren, wurden wir verteilt: jeweils 40 auf einen Raum. Es gab Etagenbetten, keinen Tisch, keine Stühle. Unten, in der Baracke gab es einen Waschraum ohne Badewanne, es standen dort nur Schüsseln. Wir bekamen eine Ersatzseife, die wie fette Kreide war. Die Haare wuschen wir in sehr heißem Wasser, um kein Ungeziefer zu kriegen. In diesem fast siedenden Wasser machten wir auch die Wäsche.
Wir arbeiteten in einer technischen Fabrik, die vom Lager 45 Kilometer entfernt war. Jeden Tag morgens wurden wir vom Lager, das mit einem hohen Zaun aus Stacheldraht umzäunt war, durch die Straßen geführt. Hatte eine ihre eigenen Schuhe, war es gut. Wenn nicht, dann bekam sie schwere Holzschuhe. Und man schlug uns dafür, dass wir um 5 Uhr früh zu viel Lärm auf dem Bürgersteig machten und die Leute weckten. Die Deutschen in den Fenstern verspotteten uns. Zur Fabrik mussten wir zunächst mit der S-Bahn, dann mit der Straßenbahn fahren. Die Arbeit war sehr schwer, an Maschinen, 12 Stunden täglich. Schrecklich ermüdend war der furchtbare Lärm. Zum Frühstück bekamen wir zwei dünne Brotscheiben mit Marmelade. Zum Mittagessen dünne Suppe aus Steckrüben. Da mit uns Mädchen aus Warschau und Łódź waren, hielten sie es aus. Drei Tage lang nahmen wir kein Essen zu uns und arbeiteten wie gewöhnlich. Die schwächeren Mädchen fielen schon um. Dann kamen die Polizisten, ließen uns in einer Zweierreihe auf dem Hof antreten und fragten, warum wir nichts essen. Ein Mädchen aus Łódź zeigte ihnen das Brot und die Suppe, und sie haben sie erhängt. Sie fragten, was wir wollten. Wir baten um Lebensmittelkarten. Sie sagten, es sei unmöglich, denn es würde große Warteschlangen geben. Aber wir erkämpften zumindest den trockenen Proviant für das Frühstück und Abendbrot und ein halbes Kilo Brot mehr. Mittwochs bekamen wir trockenes Brot und 150 Gramm Marmelade, und samstags das zweite Brot, 150 Gramm Wurst und eine halbe Butter (gemeint ist Margarine - Anm. d. Ü.). Das Mittagessen blieb unverändert. An Sonntagen gab es zu Mittag eine Mehlsoße und zwei Pellkartoffeln.
Die Arbeit war sehr schwer und die Ernährung reichte manchen nicht aus. Die Mädchen stahlen Steckrüben aus dem Keller und aßen sie. Wenn wir 12 Mark Monatslohn bekamen, verließen wir die Gruppe auf dem Wege ins Lager und kauften uns Heringssalat, einen Kohlkopf, und manchmal an einem Stand Graupen mit Blut für Grützwurst. Dann gab es große Freude. Wir träumten und es gab ein Festmahl.
Am schlimmsten waren die Bombardierungen. In der Nacht gab es weniger Bombardierungen, denn es waren die Russen. Am Tage bombardierten die Amerikaner und die Engländer. Sie begannen sie an einem Ende der Straße, und hörten an dem anderen Ende auf. Uns befahl man, unweit vom Lager einen Graben, eineinhalb Meter tief und zwei Meter breit, auszuheben. Dann wurde er mit Brettern zugedeckt und mit der ausgegrabenen Erde zugeschüttet. Das war unser nächtlicher Bunker.
Sonntags machten die Jungs in ihren Lagern Tanzabende. Offensichtlich waren auch die Deutschen des Krieges überdrüssig, denn auch sie kamen. Als die deutsche Polizei das erfuhr, verbat sie die Abende. Anstatt der Deutschen bekamen unsere Jungs die Schläge.
1944 brannte unser Lager nieder und zwei Wochen später wurde die Fabrik bombardiert. Wir wurden nach Klausdorf, einem Dorf 60 Kilometer von Berlin entfernt, gebracht. In einer alten Ziegelei richtete man die Fabrik ein. Die geretteten Maschinen wurden auf der Erde hingestellt, untermauert, oben mit einer Überdachung versehen, und so arbeiteten wir, zur Hälfte in Decken eingewickelt, bis zum Ende des Krieges. Wir arbeiteten in der Technischen Fabrik Klaus Gettward, wo man Teile für Maschinengewehre und Flugzeuge produzierte. Die Arbeit dauerte vom Oktober 1942 bis zum Kriegsende. Zuvor arbeitete ich drei Monate lang in Ostpreußen bei einem Bauern, aber als die Ostfront näher anrückte, wurden wir nach Berlin gebracht.

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DZSW 1498
Kurzbeschreibung

Anna S. war ab Oktober 1942 in einem Rüstungsbetrieb in Berlin tätig, wo Teile für Maschinengewehre und Flugzeuge hergestellt wurden.

 

Herkunftsland: Polen

 

 

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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