Abschrift: Xxxx


Bezugnehmend auf das Schreiben, das ich von der Stiftung „Polnisch-Deutsche Versöhnung“ bekam, werde ich mich bemühen, meinen Aufenthalt in Berlin zu schildern, und nicht nur das. Ich denke, ich bringe nicht viel Informationen, die für Frau Gisela Wenzel interessant sein könnten, weil über 50 Jahre seit dieser Zeit vergangen sind, und ich damals 14 war. Diese Jahre, obgleich grausam, verwischen sich doch in meinem Gedächtnis.

Also, im April oder Mai 1943wurde ich beim Arbeitsamt festgehalten. Meine Mutter und meine älteren Geschwister schickte man nach Hause. Nur mich hielt man fest und brachte mich dann ins Übergangslager in der Kopernik-Straße in Łódź. Die Bedingungen dort waren grauenvoll: ein großer Saal, auf dem Fußboden ein wenig Stroh, Männer, Frauen und Kinder zusammen. Nach ein paar Tagen schickte man mich und die anderen mit einem Transport nach Berlin. (Ich beantragte eine Entschädigung für den Aufenthalt in dem Übergangslager, aber das Archiv in Łódź antwortete mir, alle Dokumente des Lagers in der Kopernik-Straße wurden von den Deutschen verbrannt. Und ich habe keine Zeugen.)

Was Berlin betrifft, arbeitete ich dort bei der Firma AEG. Ich wohnte in einem großen Saal im Treptower Park. Die Bedingungen waren schrecklich. Nachts krochen die Ratten aus den Löchern im Fußboden und tummelten sich, piepsten und sprangen herum. Wir schwitzten in den Betten vor Angst. Das Waschbecken war ein längliches Rohr, von dem Kaltwasser tröpfelte. Unter solchen Bedingungen musste ich ein paar Monate leben. Im Herbst wurden wir in Baracken versetzt. Die Entfernung vom Betrieb war ziemlich groß, also fuhr ich mit der S-Bahn dahin. Die Wohnbedingungen in den Baracken waren ein wenig besser. Man konnte dort Mittagessen kochen, was meine älteren Kolleginnen machten. Ein paar Personen wohnten jeweils in einer Stube zusammen. Wir bekamen Lebensmittelkarten. Manchmal gab mir ein vernünftiger Deutscher ein paar Kartoffeln ohne Karten.

Was die Arbeit bei der AEG betrifft, so brachte man mir bei, wie man Apparate prüft, von denen man im Stillen sagte, dass sie für Flugzeuge und U-Boote produziert wurden. Eine Entlohnung bekam ich auch, aber ich weiß nicht mehr, in welcher Höhe. Es reichte für die Fahrten zur Arbeit und für ein sehr bescheidenes Leben aus.

Der Chef meiner Abteilung war ein Deutscher, dessen Namen ich in Erinnerung behielt, da der Name polnisch war: Kowalski. Ich erinnere mich auch daran, daß ich für eine kleine und doch nicht von mir verschuldete Verspätung bis zum 7. Stock die Treppe steigen mußte. Als Strafe durfte ich keinen Gebrauch von dem Aufzug machen (die Polen benutzen immer den Lastenaufzug). Manche bemitleideten mich, als sie mich sahen, sprachen etwas unter sich und gaben mir ein Stückchen Kuchen oder einen Apfel.

Die Sehnsucht nach meiner Familie gab mir keine Ruhe, die hier sowieso fast jede Nacht durch die Luftangriffe gestört wurde. Wir mussten in die Luftschutzräume. Englische Flugzeuge warfen ununterbrochen Bomben ab. Die Baracken für Männer auf der anderen Straßenseite wurden bombardiert. Es brach Panik und Geschrei aus. Wie schwer diese Zeiten waren!

Im Dezember 1943 wurde ich nach ein paar Monaten Schulung nach Hause entlassen, nur dass ich vom Januar 1944 an die Arbeit bei der AEG in Łódź aufnehmen musste. Diese Zeit war nicht die schlimmste, da ich bei meiner Familie war. In Łódź arbeitete ich bis September 1944. Dann wurde die Firma zusammen mit der Belegschaft in die Festung von Glatz (heute Kłodzko) verlagert. Zusammen mit mir kam meine Schwester Maria dahin. Dort war es schwer, aber wir waren zusammen. Da es in der Festung keine Möglichkeiten gab, die Produktion im vollen Umfang fortzusetzen, wurde die Belegschaft geteilt. Einige gingen zu Bauern, und meine Schwester und ich landeten in Flöha in Sachsen, ebenfalls bei der Firma AEG-Telefunken. Meine Schwester arbeitete als ältere 12 Stunden täglich, ich als jüngere 10 Stunden. Dort war es auch schwer. Mittagspausen gab es nur wegen der Luftalarme. Die Deutschen versteckten sich in den Luftschutzräumen, und wir verließen den Betrieb und gingen draußen in den Wald. So überlebten wir bis Mai 1945.


Der Rückweg nach Hause war ebenfalls ein Leidensweg, der 3 Wochen dauerte. Alle Papiere von mir und meiner Schwester wurden uns von den sowjetischen Soldaten weggenommen. In Legnica stellten uns die Behörden des Kreises Nr. 16 den Passierschein Nr. 298/45 auf, der bestätigte, dass meine Schwester und ich von der Zwangsarbeit in Deutschland nach Polen zurückkehren.

Mein Schicksal nach dem Krieg: Ausbildung an der Grundschule, dann an der mittleren Schule, die Arbeit im Büro, Gründung der Familie, Mann, Kinder. Heute bin ich seit 10 Jahren in Rente. Für den Aufenthalt in Berlin und Flöha, xxxx Ich weise darauf hin, daß ich damals 14 war. xxxx xxxx


Ich füge zwei Fotos, gemacht in Berlin, sowie mein Foto aus dem Jahr 1997 bei.

xxxx

  • 1 von 2 Seiten
  • 2 von 2 Seiten
DZSW 1418
Kurzbeschreibung

Anfang 1943 wurde Stanislawa S. mit 14 Jahren beim Arbeitsamt festgenommen und nach Berlin verschleppt. Sie arbeitete an der Herstellung von Geräten für Flugzeuge und U-Boote. Die Rückkehr nach der Befreiung war für sie sehr beschwerlich.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1929

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt