Abschrift: Xxxxx

An die Stiftung „Polnisch-Deutsche Versöhnung“

... Ich erkläre, dass ich nicht in Berlin, sondern in Lübeck in Rüstungsbetrieben arbeitete, und genauer in der Berlin - Lübecker - Maschinenfabrik, Curt-Helm-Straße. Dort arbeitete ich vom 31.8.1940 bis 1.5.1945 als Arbeiterin.

Wie konnte ein Mädchen von 16 Jahren solche schwere Arbeit tun? Ich arbeitete an Maschinen, an denen verschiedene Teile für verschiedene Arten von Waffen bearbeitet wurden. Es kamen Ausschüsse (im Original auf Deutsch - Anm. d. Ü.) vor, es waren Stellen, die nicht genug geschliffen wurden. Der Leiter rief mich zu sich ins Zimmer und schlug mich dafür kräftig ins Gesicht. Aber die deutschen Arbeiterinnen setzten sich für mich ein und machten ihn darauf aufmerksam - ich verstand nicht alle Worte -, dass der Meister daran schuld war.

Wir arbeiteten ab 8 Uhr, 12 Stunden täglich. Man brachte uns mit dem Bus aus Stockensdorf. Dann hatten wir keinen Bus mehr und mußten mit der Fähre hinfahren, bis man die Baracken gleich neben der Fabrik aufbaute. Die Bedingungen waren schlecht: Etagenpritschen, 16 Mädchen in der Stube, in der Baracke selbstverständlich mehr. Dann wurden noch ein paar Baracken hinzu gebaut, weil man viele Russinnen dahin brachte. Danach aßen wir nicht mehr mit den Deutschen in der Kantine. In einer Baracke war die Küche. Und die Suppen waren aus Steckrüben, selten etwas Besseres. Übrigens: dort arbeiteten auch Franzosen, Belgier, Holländer. Und die wurden anders behandelt... Sie aßen zusammen mit den Deutschen, hatten Löhne wie die Deutschen. Wir Polen bekamen ein paar Pfennige, was für die Briefe nach Hause gerade reichte. Ab und zu schickte mir meine Mutter ein Paket mit Kleidern und Brot, das sowieso während des Transports austrocknete. Wir mußten unbedingt den Buchstaben „P“ tragen, aber manchmal nahmen wir ihn ab, um durch Lübeck spazieren zu können. Mit diesem Buchstaben konnten wir weder mit der Straßenbahn noch mit dem Bus fahren.

Endlich kam das Kriegsende. Die Russen wurden aus den Baracken weggebracht. Und uns brachte man an das andere Ende von Lübeck, auch zu Baracken, in ein sogenanntes Übergangslager. Hier waren polnische Kriegsgefangene, Lagerinsassen aus den Konzentrationslagern in ihren gestreiften Kleidern. Ich war in der Baracke, in der der Sohn von Stalin saß. Da er aber zu fliehen versuchte, wurde er nach Auschwitz geschickt. Ich muß zugeben, daß die Engländer, die in Lübeck einmarschierten, sich kaum um uns kümmerten. Und das Essen war nicht viel besser als zur Zeit der Zwangsarbeit. Und manchmal umstellten sie die Baracken mit Panzern. ... Erst im August interessierte sich das Rote Kreuz für uns und wir bekamen Pakete von der UNRRA. Am 7. November wurden wir von den englischen Truppen nach Szczecin abtransportiert.

PS. In dieser Fabrik begegneten wir keiner feindlichen Einstellung der Deutschen uns gegenüber. Ein Schock war es für sie, als man die russischen Häftlinge einsetzte, denn erst diese wurden schlecht behandelt und sogar geschlagen. ...

Ich wurde am 13. Januar 1924 in Łódź geboren. ... Heute bin ich 75 und warte ständig auf diesen dürftigen Brocken. Meine Kolleginnen bekamen ihn bereits im September und haben xxxxx

Xxxxx

  • 1 von 4 Seiten
  • 2 von 4 Seiten
  • 3 von 4 Seiten
  • 4 von 4 Seiten
DZSW 1489
Kurzbeschreibung

Julia S. war in der Rüstungsindustrie, in einer Lübecker Maschinenfabrik tätig. Sie geht auf die unterschiedliche Behandlung der Zwangsarbeiter ein, die von derer Nationalität abhing.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1924

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt