Abschrift: xxxx
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Łódź, den 6.1.1998

Im Frühjahr 1940, als ich 16 Jahre alt war, wurde ich zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Zunächst gelangte ich zu einem Lager in der Nähe von Stargard Szczeciński (damals Stargard - Anm. d. Ü. ), wo ich etwa vier Wochen blieb. Es war kalt und es herrschte Hunger. Dann wurde ich von dem Bauern (an seinen Namen kann ich mich nicht mehr erinnern) aus Freienwalde gekauft. Auf dem Hof arbeitete ich ungefähr ein Jahr. Der Bauer war ein sehr guter Mensch und deswegen hatte ich es gut, aber für die Arbeit wurde ich nicht bezahlt.
Im Oktober 1941 bekam der Bauer einen Befehl, mich zur Bahnstation zu bringen. Von dort fuhr ich zusammen mit anderen Polen zu einer Station bei Berlin. Dort befahl man uns, uns draußen nackt auszuziehen, und unsere Sachen brachte man zur Dämpfung. Wir waren dort sehr viele, standen nackt da, es war sehr kalt. Die Ärzte schauten sich uns an: Es gab keine Kranken. Nach der Dämpfung unserer Sachen stiegen wir in den Zug ein und wurden nach Berlin, an verschiedene Orte gebracht. Mich ließ man zusammen mit ein paar anderen an der Station Reinickendorf aussteigen. Ich gelangte zur Fabrik Otto Pieron Werke. Dort arbeitete ich bis zur Befreiung als Dreher. Und ich wohnte im Bezirk Reinickendorf, in der Residenzstraße 1-2. Das Lager wurde von einem Wachmann bewacht. Die Bedingungen waren sehr schwer und für die Arbeit bekamen wir ein paar Pfennige. Neben mir arbeitete ein Deutscher xxxx der sehr gut zu mir war. Oft kam zu mir, zu meiner Maschine, eine junge Deutsche, immer heimlich, und sie gab mir Brotmarken für Brötchen xxxx sagte immer, ich soll aufpassen, denn man wird mich aufhängen.
Alle meine Papiere sind verlorengegangen. Ich habe nur den Betriebsausweis mit dem Foto, der mich dazu berechtigte, mich auf dem Betriebsgelände aufzuhalten. Meine Familie, d.h. meine Mutter und meine jüngeren Geschwister, wurden auch ausgesiedelt. Der Vater lebte nicht mehr. So hatte ich all die Jahre keinen Kontakt mit ihnen und wußte nicht, wohin man sie ausgesiedelt hat.
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren sehr schlecht, die Arbeitszeit sehr lang. Man arbeitete umsonst, es fehlte die medizinische Betreuung, dafür aber setzten uns Millionen von Ungeziefer (Wanzen) gewaltig zu, obwohl es ab und zu Desinfektionen gab, die aber nichts brachten. Gab es Mißerfolge an der Front, so führte man uns mit dem Gewehr zur Arbeit. Die deutsche Bevölkerung war uns gegenüber sehr freundlich und half uns heimlich sehr.
In aller Kürze wäre das alles, weil man sich an viele Sachen nicht mehr erinnert.

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Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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    Ausweiskarte des ehemaligen Zwangsarbeiters Antoni W.
    Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt; dzsw1396.2

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DZSW 1396
Kurzbeschreibung

Antoni W. war zunächst in der Landwirtschaft, und anschließend für die Otto Pieron Werke tätig. In seinem Brief erinnert er sich an hilfsbereite Menschen an der Arbeitsstelle.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1924

 

 

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Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

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Ausweiskarte des ehemaligen Zwangsarbeiters Antoni W.
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