Abschrift: Xxxxx

Als Antwort auf den Aufruf der Stiftung teile ich Ihnen mit, daß ich zu den Personen gehöre, die während des Krieges aus Polen nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. Ich wurde am 12. August 1918 in Ner, Wojewodschaft Łódź geboren. Vom Anfang des Krieges bis zum Ende Juni 1943 war ich auf dem Gutshof Gostkow, Gemeinde Wartkowice, Wojewodschaft Sieradz beschäftigt. Diesen Gutshof verwaltete der Deutsche xxxxx. Ich arbeitete dort als Schmied in der Schlosserwerkstatt von dem Deutschen. Ich arbeitete 12 Stunden täglich und sogar länger. Da ich befürchtete, nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt zu werden, gab ich die Arbeit auf dem Hof auf und lief davon. Um eine andere Arbeit zu finden, meldete ich mich beim Arbeitsamt, wo ich von den Gendarmen festgehalten wurde. Zusammen mit fünf Festgenommenen wurden wir unter Bewachung mit dem Zug nach Łódź gebracht. Am Abend desselben Tages fuhren wir nach Poznań und dann nach Frankfurt an der Oder. Von Frankfurt holte mich ein Vertreter der Dampflokomotivenfabrik Schwermaschinenbau in Wildau bei Berlin.
Wir wurden in Baracken untergebracht. Ich wurde in der Baracke 21, Stube 2 untergebracht. In der Stube gab es 18 Männer. Es gab Etagenbetten. Das Essen wurde einmal am Tag, nach der Arbeit ausgegeben. Zum Trinken gab es Malzkaffee, der zweimal täglich, ein halber Liter pro Person ausgegeben wurde. Ich war der Stubenälteste. Zu meinen Pflichten gehörten das Einhalten der Ordnung in der Baracke, das Bestimmen der Personen, die den Kaffee holen sollten, sowie das Ausführen anderer Anweisungen der Wachmänner, die unsere Baracke beaufsichtigten.
Wir bekamen Passierscheine, die uns ermöglichten, uns auf dem Lagergelände zu bewegen und zur Fabrik zu gehen. An den Kleidern hatten wir den Buchstaben „P“ angeheftet. In der Fabrik hatten wir an der Arbeitskleidung eine Erkennungskarte, mit der wir uns nur in der Halle aufhalten durften, in der wir arbeiteten. Ich arbeitete als Schlosser und führte die Arbeiten aus, die mir der xxxxx zuwies. Ich schätzte ihn hoch und er mich wohl auch, da er manchmal sein Essen mit mir teilte.
Nachdem am 4. März 1944 ein Teil der Fabrik ausgebombt wurde, nahm mich der Meister mit und während der Frühstückspause sammelten wir aus den Trümmern unversehrte Maschinenteile und Werkzeuge heraus. Für diese zusätzliche Arbeit bekamen wir einen Becher Milch oder Wein. Aus dieser Zeit behielt ich auch einen deutschen Härtereiarbeiter, der in derselben Halle arbeitete, gut in Erinnerung. Die Deutschen, mit denen ich sprach, waren neugierig und wollten etwas über Polen erfahren, aber sie glaubten nicht das, was ich ihnen erzählte. Erst nachdem ein paar Transporte mit 12-14jährigen Kindern in unserer Fabrik ankamen, überzeugten sie sich davon, dass man meinen Erzählungen Glauben schenken kann. Mit meiner Familie blieb ich im brieflichen Kontakt. Es gab eine medizinische Betreuung, aber besser machte man davon keinen Gebrauch.
Am ersten Sonntag des Monats wurde in einer Kirche die heilige Messe für die Polen gehalten. Man konnte die Beichte ablegen und zur heiligen Kommunion gehen. Die Kirche war in Königswusterhausen und man mußte dahin mit der Bahn fahren.
Eines Tages wurde mein nächster Kollege aus der Stube von dem Wachmann am Kopf angeschossen, da er irgendwelche Anweisung nicht ausführte. Als er geheilt war, beschuldigte man ihn zu Unrecht, daß er den Wachmann mit einem Messer (mit dem er gerade Brot schnitt) überfallen wollte, und er wurde zum Tode verurteilt. Vor der Urteilsvollstreckung rettete ihn ein anderer Gendarm, der die ganze Sache prüfte und sie erneut vor Gericht stellte. Das Gericht hob das Urteil auf und schickte meinen Kollegen ins Lager C unter die Bewachung von Wachmännern. Nach einiger Zeit wurde er zum Verrückten erklärt und nach Polen zurückgeschickt. Dieser Mann lebt bis heute und wohnt in Łódź.
Vor dem Einmarsch der Roten Armee wurde die Mehrheit von Leuten zum Ausheben der Schützengräben und zu anderen Arbeiten außerhalb der Fabrik geschickt. Diejenigen, die im Betrieb geblieben sind, demontierten, konservierten und versenkten im Kanal Maschinen. Bei dieser Arbeit war ich wieder zusammen mit dem xxxxx
Nach Polen kehrte ich am 5. Mai 1945 zurück, ohne Papiere, die mir auf dem Rückweg die Rote Armee wegnahm. Xxxxx


Ich füge bei:
1. Die Kopie des Betriebsausweises Schwermaschinenbau Wildau;
2. die Kopie des Fotos von meinem Stubenkollegen, gemacht in Berlin 1943;
3. die Kopie des Fotos von meinem Stubenkollegen, gemacht in Deutschland 1943;
4. die Kopie meines Fotos, gemacht in Deutschland 1943;
5. die Kopie meines Fotos, gemacht in Berlin 1943,
6. mein Bild, gemacht in Polen 1977.

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    Kopie der Fotografie von Euzebiusz W. und seinem Stubenkollegen aus der Zeit der Zwangsarbeit; (Berlin, 1943)

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DZSW 1504
Kurzbeschreibung

Euzebiusz W.war zunächst als Landarbeiter auf einem Gutshof eines Deutschen in Polen tätig. Nach der Verschleppung nach Wildau bei Berlin lebte er in einem Barackenlager, wo er als Stubenältester bestimmte Pflichten zu erfüllen hatte.

 

Herkunftsland: Polen

 

 

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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Kopie der Fotografie von Euzebiusz W. und seinem Stubenkollegen aus der Zeit der Zwangsarbeit; (Berlin, 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Kopie der Fotografie von Euzebius W. aus der Zeit seiner Zwangsarbeit in Berlin © Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Kopie der Fotografie von Euzebiusz W. aus der Zeit der Zwangsarbeit; (Berlin, 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt