Abschrift: xxxx

Die Zeit vor der Ausreise nach Berlin
Am Tag des Kriegsausbruchs sollte ich, nachdem ich sieben Klassen der Grundschule in Slesin (20 km von Konin, im sog. Warthegau) abgeschlossen hatte, die Ausbildung an der Handelsschule in Słupca anfangen. Mein Vater führte eine Firma, die Gänse nach Deutschland verkaufte, und der ganzen Familie ging es gut. Nach dem Kriegsausbruch trafen die deutschen Truppen in Slesin bereits am dritten Tag ein, deshalb wurden alle Pläne zu meiner Weiterbildung hinfällig. Die deutschen Machthaber führten schnell ihre Ordnung ein, indem sie viele Menschen jüdischer Herkunft in Lager deportierten. Auch die Polen wurden deportiert: diejenigen, die auf der Liste der Deutschland gegenüber abgeneigten Personen standen. Auch junge Menschen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Solches Schicksal widerfuhr meinem älteren Bruder, der 1940 nach Deutschland verschleppt wurde und in Spremberg arbeitete.
Um mich vor der Verschleppung zu schützen, fanden meine Eltern für mich eine Arbeit in einem Laden, der von einem polnischen Staatsbürger deutscher Nationalität, Herrn xxxx, geführt wurde. Über ein Jahr lang arbeitete ich bei Herrn xxxxin Slesin. Aber vor der Verschleppung bewahrte mich das nicht.
1942 wurde ich einem Transport nach Deutschland zugewiesen. Ich lief davon und versteckte mich auf dem Lande in der Nähe von Slesin. Da meine Familie repressioniert wurde, stellte ich mich selbst, und dank gewisser Beziehungen erlaubte man mir, die Arbeit in einem Buchladen aufzunehmen, ohne jegliche Konsequenzen. Im November 1942 wurde ich mit einem Transport, zusammen mit Kommilitoninnen aus Slesin und den nahen Dörfern nach Deutschland geschickt.
Die erste Zeit in Deutschland
Unser Transport wurde ins Übergangslager in Brandenburg geleitet. Nachdem uns die ärztliche Kommission untersucht hatte, uns die Fingerabdrücke abgenommen worden waren und man uns die Nummern zuteilte und sie uns um den Hals umgehängt hatte, durften wir beschäftigt werden. Ins Lager kamen Vertreter vieler deutscher Firmen, die junge Arbeiter brauchten. Für unsere Gruppe von jungen Mädchen interessierte sich xxxx (oder Küste), die Vertreterin einer Firma aus Berlin. Diese Frau bewirkte, daß man uns ins Lager Adlershof in der Nähe von Berlin versetzte. Von diesem Lager nahm uns ein Vertreter der Firma mit der Bahn nach Berlin mit. Wir mussten um 5 Uhr früh aufstehen, da die Arbeit um 7 begann. Ich arbeitete bis 17 Uhr, d.h. 10 Stunden. Und ich war damals 16. Zweimal in der Woche hatte ich den Nachtdienst im Betrieb. Der Betrieb, in dem ich arbeitete, befand sich im Hoffmannsdamm in Berlin und hieß Papiergefest GmbH (so im Original - A.d.Ü.). Die Produktion lief für das Militär.
Die Arbeit
Nachdem wir im Betrieb eingetroffen waren, nahmen uns die Meister in ihre Abteilungen mit. Mir und zwei meiner Kommilitoninnen fiel die Arbeit in der Lackiererei zu. Mein Meister hieß xxxx. In meiner Abteilung arbeiteten ausschließlich ältere Frauen, die sich bemühten, uns so schnell wie möglich die Arbeit mit der Spritzpistole beizubringen. Nach einer kurzen Weile malte ich schon selbständig wichtige Elemente (Kartonflächen, die der Auswertung der Luft nach einem Luftangriff dienten). Unsere Produktion wurde von dem Betrieb vom Militär abgeholt. Ihre Anforderungen waren so hoch, dass mehr als die Hälfte von den Kartonstücken nicht abgenommen wurde.
Diese Abteilung war sehr beschwerlich. Aufgrund der brennbaren Farben gab es dort keine Heizung, und die Dünste der Lösungsmittel waren stark toxisch. Deswegen bekamen wir täglich 1 Liter Milch. Für die Betriebsleitung war es lästig, daß wir täglich abgeholt und gefahren werden mussten (etwa eine Stunde Fahrt hin). Deswegen unternahm sie Schritte, um uns nach Berlin zu versetzen. Da Verbindungen mit dem Militär bestanden, waren die Bemühungen erfolgreich. Wann das geschah, weiß ich nicht mehr genau1 aber ich erinnere mich daran, dass ich während des ersten Luftangriffs bereits in Berlin war.
Die Wohnung für uns richtete die Firma in den alten, leeren Lagerräumen ein. Wir hatten zwei Schlafzimmer, ein Esszimmer und die Küche. Wir waren 15 Mädchen. Unsere Wohnung war in der Muhlstrasse, in der Nähe vom Schlesischen Bahnhof. Für unsere Arbeit bekamen wir Löhne, die so niedrig waren, dass es nur dafür reichte, die Lebensmittelkarten einzulösen.
Lebensbedingungen.
Als wir das Lager Adlershof verließen, bekamen wir Lebensmittelkarten, aber sie waren nur zum Teil gültig. Viele Produkte, die auf den Karten standen, konnten wir nicht kaufen. z.B. konnten wir nur Roggenbrot kaufen. Wir konnten keine Tinte und kein Briefpapier kaufen.
Unser neuer Direktor (xxxxging zum Militär) führte mit uns ein Gespräch und stellte uns die Arbeitsvorschriften vor. Er sagte, wenn wir uns an die Vorschriften halten, brauchen wir nichts zu befürchten. Falls wir dies aber nicht tun, werde er sich gezwungen sehen, seine Vorgesetzten zu informieren. Die Folge konnte die Einlieferung in ein Straflager sein. Mit ein paar jüngeren Mädchen führte er ein anderes Gespräch. Er sagte uns, wir hätten Krieg, und man habe uns nicht nur wegen der schweren Arbeit hierher gebracht, sondern auch deswegen, weil unsere Moral zerstört werden soll. Wir sollten daran denken, denn der Krieg werde einmal zu Ende sein, und wir werden Ehefrauen und Mütter.
Einmal im Jahr konnte ich mir Schuhe kaufen. So sah mein Leben von der formalen Seite aus.


Gesellschaftliche Kontakte
Während eines Luftangriffs kam zu uns ein junger Deutscher, Helmut, (15-16 Jahre alt), der in demselben Haus wie wir wohnte und sagte, wir sollten in den Luftschutzkeller heruntergehen. Dieser Junge zeigte als erster Sympathie uns gegenüber und war bemüht, uns zu helfen.
Im Luftschutzkeller lernten wir andere Zwangsarbeiter kennen. Aus der Tschechei und Polen. Mit den Tschechen unterhielten wir freundschaftliche Kontakte und einige meiner älteren Kommilitoninnen fanden unter ihnen sogar ihre künftigen Ehemänner. Wir halfen uns gegenseitig. Von ihnen bekamen wir Tinte und Briefpapier, und ich konnte einen Brief nach Hause schreiben.
Um unsere Verpflegung zu verbessern, halfen wir uns so ab: die Pakete von unseren Familien schickte jeweils eine deutsche Person an die Adresse der deutschen Frauen von unserem Betrieb. Das war erlaubt. Für diesen Freundschaftsdienst bekamen die Deutschen einen Teil der Lebensmittel, die ihnen ebenso fehlten. Alle waren zufrieden. Wir bekamen von Zuhause Fett, eingemachtes Fleisch, Enten und Gänse. Wir bekamen auch trockene Produkte: Nudeln und eine Art Spätzle, sehr nahrhaft, sowie Kleider.
Im Haus, in dem wir wohnten, war ein Mann (ein Flüchtling aus Bydgoszcz/Bromberg - Anm.d. Ü./), der es einfach nicht ausstehen konnte, wenn wir diese "Leckereien" vom Zuhause kochten, da man das im ganzen Haus roch. Er trug das den Gendarmen zu, aber die letzteren informierten uns nur darüber, damit wir diesen Mann meiden und ihm keinen Grund zur Zuträgerei geben.
Ich lernte auch einen Franzosen, einen reichen Mann kennen, für den die Existenz unter solchen Umständen attraktiv war. Er ließ sich in Lumpen fotografieren und schickte die Fotos nach Frankreich. Sein Vater half ihm aus der Klemme.
Ich erinnere mich daran, wie Helmut eingezogen wurde und an die Ostfront ging und nach ein paar Wochen seine Mutter zu uns kam, um uns die Nachricht von seinem Tod zu bringen. Wir weinten alle, da er unser Freund war.
Das Kulturleben.
Aus verständlichen Gründen hatte ich keine Möglichkeit, das kulturelle Angebot Berlins zu nutzen. Für die Menschen mit dem Buchstaben "P" war alles verboten. Trotz Befürchtungen nahm ich das Abzeichen "P" ab, und ich wollte das sehen, was mich interessierte. Die Tschechen ergatterten manchmal Theaterkarten. Daher war ich zweimal im Theater. Einmal in der "Scala" und einmal in der "Plazza". Ich konnte wunderbare Vorstellungen sehen: eine Operette von Strauß und Greta Garbo.
Im Theater kam ein Gendarm auf mich zu und fragte höflich: "Ausweis bitte" (im Original auf Deutsch - Anm.d.Ü.). Ich gab ihm den Ausweis, worauf er sagte: "Du bist Polin" und warnend seinen Zeigefinger erhob.
Einmal machte ich mit meinen Kommilitoninnen einen Ausflug in die Gärten Potsdams. Ich war auch im Treptower Park, wo es einen Liliputanerzirkus gab. Ich fuhr nach Berlin-Buch, wo meine Freundinnen wohnten. Solche Treffen gaben uns immer Mut und
Hoffnung.
Ich besuchte auch das Kino in der Köpenicker Straße. Ich erinnere mich an den ersten Film, "Die goldene Stadt", über Prag. Das war für mich ein großes Erlebnis.
Ich fuhr auch nach Teltow, wo eine große Gruppe von den Polen wohnte, die in den Krupp-Betrieben arbeiteten; deswegen gab es dort die Heiligen Messen auf Polnisch. Zweimal besuchte ich meinen Bruder in Spremberg. Die deutschen Frauen von meinem Betrieb warnten mich, es sei gefährlich ohne Passierschein zu reisen, aber sie trugen es niemandem zu. Nach dem gelungenen Ausflug und der glücklichen Rückkehr atmeten auch sie erleichtert auf, daß alles gut ging.
All das unternahm ich ohne den Buchstaben "P". Einmal war ich auch legal zu Hause in Polen, auf dem zweiwöchigen Urlaub. Ab Ende 1944 gab es keine Urlaube mehr.

Episoden.
Auf der anderen Seite der Straße, in der ich wohnte, gab es ein Kolonialwarengeschäft. Den Laden führte eine deutsche Familie, deren Vater jüdischer Herkunft war. Sie hatten zwei Töchter. Die jüngere ging immer mit dem Vater und einem kleinen Pudel mit roter Schleife spazieren. Ich traf diese Menschen auf der Straße und wir sprachen miteinander. Dieser Bekanntschaft verdanke ich, daß als ich in den Laden ging, um meine Lebensmittelkarten einzulösen, dieser Herr nicht auf die Karten schaute, sondern mich fragte, was ich will. Er verkaufte mir Kuchen, ganzes Brot oder sogar eine Torte und Graupen. Vor ihrem Haus sah ich oft die Gestapo stehen, die den Vater mitnehmen wollte. Aber die andere Tochter arbeitete bei der Luftwaffe und hatte einen Verlobten, der General war. Als der General kam, fuhr die Gestapo weg.
Auf der anderen Straßenseite wohnte auch ein Pole, Herr Tadeusz Streng. Auch er half uns und beschützte uns bis zur Befreiung Berlins. Er sprach ein paar Sprachen fließend. Nach dem Krieg bekam ich von ihm eine Karte aus den USA, unterschrieben mit Michał Lawina.
Ab Mitte 1944 wurde es immer schlimmer. Die deutsche Organisation wurde immer schlechter. Die zunehmenden Luftangriffe lähmten das Leben der Stadt. Und der Hunger wurde immer lästiger. Auf der Arbeit, an Haltestellen und in Straßenbahnen strickten deutsche xxxx, Handschuhe und Strümpfe für Soldaten an der Ostfront.
Allmählich gewöhnten wir uns dermaßen an die Luftangriffe, daß wir sogar genau wußten, um wieviel Uhr sie kommen würden. In der Stadt gab es nur Frauen, Jugendliche und Alte. Im Luftschutzkeller, in den ich immer ging (in der Nähe von der Jannowitzbrücke) sah ich nur Frauen mit Kleinkindern auf den Armen. Sie waren hilflos und suchten Hilfe, auch bei uns, als die Kinder in den Keller und dann nach draußen gebracht werden sollten. In dieser Menschenmenge gingen viele Kinder verloren. Ich sah die Anstrengungen dieser Menschen und war innerlich zerrissen. Einerseits freute ich mich auf die sich nähernde Front, zugleich aber hatte ich Mitleid mit diesen Frauen ohne Schuld. Ich weinte und sie weinten auch, aber ob aus demselben Grund, kann ich bis heute nicht sagen.
Ende 1944 oder Anfang 1945 wurde unsere Fabrik ausgebombt. Der Direktor sagte uns, er sehe sich gezwungen, uns dem Militär zur Verfügung zu stellen, und wir seien nicht mehr unter seiner Obhut. Täglich kamen Soldaten in gelben Uniformen und brachten uns zur Arbeit auf den Eisenbahngleisen und beim Errichten der Sperren auf den Straßen. Berlin bereitete sich auf Verteidigung vor. Ich erinnere mich, wie wir am 20. April durch die Megaphone eine Rede von Adolf Hitler hörten, der von der Wende des Kriegs sprach.
Aber daran glaubten sogar die Deutschen nicht mehr.
Der Direktor des Betriebes kam in unsere Wohnung und interessierte sich, ob wir Zurecht kommen, aber er konnte uns keine Hilfe mehr gewähren. Herr Direktor wohnte bei der Familie xxxx die wegen zwei Kleinkinder den Anspruch auf eine Haushaltshilfe hatte. Er wählte mich und brachte mich in die Wohnung von xxxx. Die Mädchen waren nicht mehr in Berlin (ihre Vornamen waren Usi und Prinse). Zu meinen Pflichten gehörte es, morgens Kaffee zu kochen und dann xxxx bei Haushaltsarbeiten zu helfen. Von der Wohnung der Herrschaften xxxx war ich begeistert. Trotz der schwierigen Zeiten war es sehr sauber und es standen dort wunderbare Möbel. Ich weiß noch, daß mir am besten das Schlafzimmer mit den dunkelblauen Bettdecken gefiel. Xxxx sprach Polnisch, aber ungern. Xxxx teilte die Lebensmittel mit Hilfe einer Apothekerwaage. Meine Portionen waren gleich denen von den anderen Familienmitglieder. Aber ich fühlte mich einsam, und deswegen bat xxxx die meine Verängstigung sah, nach zwei, drei Wochen den Direktor, mich zu meinen Freundinnen zurückzubringen.
Das Leben in Berlin war sehr schwer. Die Soldaten holten uns nicht mehr ab, jeder war auf sich selbst angewiesen. Die Luftangriffe dauerten Tag und Nacht, und schließlich verließen wir den Luftschutzkeller überhaupt nicht mehr. Aber einmal war ich dermaßen erschöpft, daß ich sagte, ich gehe nicht in den Luftschutzkeller, es komme, was wolle. Am nächsten Morgen erfuhr ich, der Luftschutzkeller, in den ich gehen sollte und der sich unter der Spree befand, sei zerstört und alle Menschen seien ertrunken. Ich überlebte.
In der Nähe dieser Stelle, wo sich der Luftschutzkeller befand, gab es eine Brücke über die Spree. Um diese Brücke wurde gekämpft: die sowjetischen Panzer griffen an, und Jungen und alte Männer verteidigten sie mit Panzerfäusten. In der Nacht kamen schon die sowjetischen Späher, aber am Morgen fanden wir sie tot. Das dauerte einige Tage. Deutsche Frauen schrien die Kämpfenden an, sie sollten sich ergeben, denn der Kampf bringe nur den unnötigen Tod und sei auch für sie eine Gefahr. Es herrschte lauter Chaos.
Als wir im Luftschutzkeller saßen, erfuhren wir, daß die Lebensmittellager an der Spree zerstört seien. Trotz der Gefahr gingen wir dahin. Dort fanden wir Berge vom Butter, gefrorene Ferkel, Konserven, Kaffee, Kakao, Zucker, Brot. Es gab dort alles, was nur das Herz begehrt. Wir nahmen davon, soviel wir nur konnten, in den Keller mit. Ich war zufrieden. Und wir sagten uns, jetzt sollen sie kämpfen, solange sie wollen. Es kam jedoch anders. Die angreifenden sowjetischen Truppen kamen in den Luftschutzkeller herein und gaben uns 5 Minuten, um den Raum zu verlassen. Danach sollte der Beschuß fortgesetzt werden. Alle liefen weg, so wie sie standen. Wer nicht schnell genug war, wurde in den zerstörten Luftschutzkeller lebendig begraben.
Das, was ich draußen sah, läßt sich nicht beschreiben. Das war die Apokalypse. So ging es wohl in Sodom und Gomorrha zu. Ich konnte den Fuß nirgendwo hinstellen, ohne auf eine Leiche zu treten. Vor Hitze waren die Schienen gebogen, in der Luft hing Gestank, die Haut juckte und die Augen tränten ununterbrochen. Die Haare standen wie elektrisiert zu Berge. Einen Augenblick lang stand ich zusammen mit einem Mädchen in einem Hauseingang. Ich schaffte es nicht einmal, sie anzusprechen, und schon lag sie da, tot mit aufgeschlitztem Bauch. Tote sowjetische Soldaten hatten an den Gürteln Säckchen voll von Juvelen, manchmal sogar zusammen mit den abgeschnittenen Fingern. Sie rochen alle nach Wodka, hatten Schaum vor dem Mund, und jeder hatte mongolische Gesichtszüge. Ich sah genau, wer Berlin eroberte. Das war eine wilde Horde. Mann konnte in einem Augenblick reich werden. Und ich dachte nur daran, mein Leben zu retten. Der einzige Weg führte nach Osten. An getöteten Pferden standen sowjetische Soldaten, und gegen Juwelen erlaubten sie den Deutschen, ein wenig Pferdefleisch abzuschneiden.
Ich weiß nicht, wie ich nach Erkner gelangte. Dort traf ich meine Kommilitoninnen und Herrn Tadeusz Streng wieder. Sowjetische Soldaten, die schon menschenähnlicher aussahen, verlangten von uns Dokumente. Sie hatten keine Ahnung, woher wir kommen. Sie ließen uns in den Wagen einsteigen und wir fuhren nach Berlin zurück, um nach Dokumenten zu suchen. Doch wir kamen nicht an, denn die Reifen platzten vor Hitze. Dank der Intervention von Herrn Streng ließen sie uns frei.
Unseren Rückweg setzten wir nachts fort, und tagsüber schliefen wir auf den Bäumen: auf diese Weise vermieden wir Begegnungen mit der sowjetischen Armee, die für viele tragisch ausgingen. Im Mai 1945 kehrte ich nach Hause zurück.
In Berlin spielten sich noch andere Episoden ab, deren Zeuge ich war oder an denen ich teilnahm. Aber es ist unmöglich, sie alle zu schildern. Von einem englischen Flieger, der über Berlin abgeschossen wurde, bekam ich Schokolade. Ich sah, wie Gefangene auf den Straßen Blindgänger entschärften. Ich sah, wie sie beteten, während sie die Zünder herausnahmen. Ich sah auch, unter welchen Bedingungen die Russen in Lagern lebten und ich wunderte mich immer grenzenlos, daß sie trotz alledem nach der Arbeit fähig waren, zusammenzusitzen, gemeinsam zu singen und zu tanzen. Angeblich lebten sie in der Sowjetunion vor dem Krieg auch unter solchen Bedingungen. Daher war es keine Strafe für sie.
Nach meiner Rückkehr fand ich meinen Bruder vor, der aus Spremberg zurück war. Aber mein Vater, der ebenso in ein deutsches Lager an der französischen Grenze verschleppt worden war, kehrte erst im Oktober 1945 zurück. Als Vorkriegsmitglied der polnischen national-demokratischen Partei konnte er im kommunistischen Vaterland keine Arbeit finden. Bis zu seinem Lebensende arbeitete er nicht mehr und starb 1968.
Ich heiratete 1946, und 1948 gebar ich einen Sohn. Nach dem Krieg arbeitete ich bis 1964 nicht. Dann fertigte ich eine kurze Zeit lang handbemalte Textilien an.
Xxxx
Aus Berlin habe ich keine Andenken, aber ich bleibe in Kontakt mit einer Kommilitonin, die Fotos aus dieser Zeit hat. Wenn Sie von meinen Erinnerungen Gebrauch machen können, wäre ich froh.

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DZSW 1399
Kurzbeschreibung

Domicela W. wurde als Zwangsarbeiterin in der Lackiererei eingesetzt, wo sie Kartonflächen für das Militär besprühte. Die sehr präzise auszuführende Arbeit war sehr beschwerlich, denn Domicela kam täglich mit toxischen Mitteln in Berührung.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1925

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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