Abschrift: Übersetzung Brief 339 30. Oktober

xxxxx
Jhrg. 1924
Dnepropetrowsk
Ukraine


Guten Tag, geehrte Kinder


Obwohl ich Sie nicht kenne, und Sie mich nicht kennen, habe ich von Ihnen den Brief vom 30. Juli 1997 erhalten. Es war für mich sehr traurig, mich auf meine alten Tage an die Berliner KZ's zu erinnern. Ich habe gelesen, und jede Zeile und jeden Buchstaben mit Tränen begossen, und gleich habe ich Ihnen geantwortet. Na, ich habe Ihnen wenig geschrieben, ich habe nur begonnen, unsere Leidenswege zu schildern. Ich war im Lager vom 42er bis zum 45er Jahr. Wenn man alles schreibt, dann wird es eine ganze Geschichte. Sie haben geschrieben, dass Sie vielleicht zu mir kommen, aber weder sind Sie gekommen, noch habe ich Antwort gekriegt. Ich weiß nicht, ob Sie meinen Brief bekommen haben oder nicht. Ich habe sofort geschrieben und mit Luftpost abgeschickt, mit dem Flugzeug. Na ja, ich verzeihe Euch, es gibt nicht mich allein, sondern viele solche Märtyrer.

Halten Sie es bitte nicht für eine Belästigung, aber schicken Sie mir wenigstens ein kleines Päckchen, einen getragenen Kittel und ein Nachthemdchen. Größe 58 - 56. Man schickt uns aus allen Ländern, auch aus Deutschland. Einmal bin ich zum Laden gegangen, wollte irgendetwas kaufen und sie sagen: "Oma, wir verkaufen gegen Geld." Ich habe gesagt, dass man den Alten wenig zahlt, und sie sagen: "Und wovon sollen wir leben?" Na, ich habe mich umgedreht, geweint und bin weggegangen. Im November, am 20., werde ich 74 Jahre alt sein. Ich bitte Sie sehr, helfen Sie mir. Ich bin Invalide der II. Gruppe und habe Bronchial-Asthma. Seien Sie großzügig zu einer armen, einsamen Alten. Und der Herrgott wird Euch vor jeder Krankheit bewahren. Und Eure Kinder.

Auf Wiedersehen, meine unbekannten Kinder. Ich warte auf Antwort



Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt