Abschrift:
Xxxxx


Frau
Gisela Wenzel
Berliner Geschichtswerkstatt e.V.
Goltzstr. 49
D-10781 Berlin



Sehr geehrte Frau Wenzel,
ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Stiftung „Polnisch-Deutsche Versöhnung“ sich am 21. November 1997 schriftlich an meine Frau xxxxx wandte und ihr Ihren Aufruf übersandte. Meine Frau ist am 2. August 1992 verstorben, daher kann ich nichts von ihren Erlebnissen in Berlin während des Krieges berichten.
Es freut mich, dass die Berliner Geschichtswerkstatt, zwar spät, aber immerhin die Forschung der Schicksale der Menschen aufnahm, die während des Krieges als Zwangsarbeiter in Deutschland eingesetzt worden waren.
Falls Sie sich auch für meine Erlebnisse aus der Kriegszeit interessieren, während der ich ebenso als Zwangsarbeiter in Berlin war, so stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Zunächst möchte ich Ihre Fragen knapp und kurz beantworten.

1. Mein Lebenslauf.
Ich heiße xxxxx wurde am 9. Juni 1920 in Łódź geboren; bis zum Ausbruch des Krieges besuchte ich ein Gymnasium.
Im Januar 1940 wurde ich nach Generalgouvernement ausgesiedelt.
Im Frühjahr 1941 hat man mich verhaftet und in das Lodzer Lager (Radogoszcz) eingesperrt.
1942 (im Januar oder Februar) wurde ich zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt; zunächst arbeitete ich in einem Rüstungsbetrieb in Karlsruhe-Durlach in Baden, und nach der Teilbombardierung dieses Betriebs im Herbst 1942 wurden wir in die Krupp-Betriebe in Berlin versetzt, wo ich bis zum Ende des Jahres 1943 arbeitete; dann wurden wir in die Filiale des Krupp-Betriebs in Litzmannstadt versetzt.

2. Lokalisierung der Arbeitsbetriebe
a) 1942: Karlsruhe-Durlach; das Lager, in dem ich damals wohnte, war in Karlsruhe-Aue, Ostmarkstraße 33;
b) Vom Herbst 1942 bis zum Ende 1943 arbeitete ich bei National-Krupp Register Kassen, Berlin-Neukölln, Braumauer Straße 185/187.

3. Lebens- und Arbeitsbedingungen
a) Arbeitszeit: 12 Stunden;
b) Lohn: 80-100 Mark monatlich;
c) Unterkunft: Baracken;
d)Verpflegung: der Kalorienwert unter der lebensnotwendigen Grenze;
e) medizinische Versorgung: sehr gering;
f) Freizeit: Ich habe sie allseitig ausgenutzt, aufgrund dessen, daß ich von den Kindesbeinen an neugierig bin. Ich bemühte mich, überall, wo es nur ging, zu sein, und Berlin und seine Umgebung habe ich besser kennengelernt als viele richtige Berliner. Selbstverständlich war das mit einem gewissen Risiko verbunden, aber ich hatte Glück und gute Menschen halfen mir dabei.
g) das religiöse Leben: In Karlsruhe war das religiöse Leben normal. Dazu trugen die katholischen Geistlichen mittels Gläubigen bei. Die Geistlichen bewirkten auch, daß wir illegal Hilfe bekamen, vor allem in Lebensmitteln. Die Zeit meines Aufenthaltes in Karlsruhe habe ich in dieser Hinsicht nett in Erinnerung. In Berlin dagegen gab es kein religiöses Leben für die Polen.
Alles Schlimme hing mit Berlin zusammen. Der überall vorherrschende Faschismus, Hochmut, Rüpelhaftigkeit. Nur wenige Einzelpersonen zeigten gegenüber den anderen Menschen Liebe, Achtung und Wärme.
h) Kontakte mit Familien in der Heimat gab es nur brieflich.
i) Positive und negative Erlebnisse aus der Kriegszeit: Sie lassen sich nicht in Form eines Briefes fassen. Es gab sehr bedrohliche Momente, aber auch sehr angenehme, an die ich bis heute zurückdenke.
j) Kontakte und Begegnungen mit der deutschen Bevölkerung: Ich hatte viel Glück, gute und aufrichtige Menschen getroffen zu haben, die ihr Land liebten und zugleich einen von ihnen erwähnen: Otto Dornbusch (dessen Foto ich beilege). Wie ich vom Erzählen weiß, war er in den 20er Jahren nicht nur auf den deutschen Bühnen, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas bekannt. Nach 1933 saß er für seine antifaschistische Tätigkeit 3 Jahre in einem Lager. Sein ganzes Vermögen wurde beschlagnahmt. Er durfte nur als einfacher Arbeiter arbeiten, und trotzdem wurde er von den meisten Deutschen geachtet und geschätzt, mit Ausnahme der Behörden, selbstverständlich. 1943, als Krupp selber zur Besichtigung seiner Betriebe kam, war Otto Dornbusch der einzige, den er (in Anwesenheit von allen) begrüßte und mit dem er sich längere Zeit unterhielt. Allein dies zeugte von seiner großen Autorität.
k) Das Gesicht Berlins änderte sich von einem Monat auf den anderen, wegen der immer öfteren anglo-amerikanischen Bombardierungen.
l) Mein Schicksal vor und nach der Befreiung
Ich kehrte in meine Stadt zurück, wo ich arbeitete und meine Ausbildung fortsetzte. Heut bin ich 78 Jahre als, seit 1980 Rentner.
Nur der Stiftung „Polnisch-Deutsche Versöhnung“ nehme ich übel, dass sie mir nicht nur einen solchen Brocken als Entschädigung für die Zwangsarbeit in Deutschland gab, sondern auch meine Arbeitszeit in Karlsruhe (10 Monate) nicht anrechnete, angeblich wegen der fehlenden Dokumente. Dabei bestätigte die Versicherungsanstalt in Lódz meine Arbeit in Karlsruhe und erkannte diese Arbeitszeit an, so dass sie bei der Festsetzung meiner Rente berücksichtigt wurde. Dieses Dokument befindet sich in der Stiftung „Polnisch-Deutsche Versöhnung“. In dieser Angelegenheit wandte ich mich mehrmals vergeblich an die Stiftung.
Alles, was ich oben geschrieben habe, ist lediglich eine knappe Zusammenfassung meiner Erlebnisse während der Zwangsarbeit in Deuschland. Wie es mir scheint, habe ich viel Material, das sich erschließen ließe: Fotos, Briefe, Ansichtskarten, Karten, und auch viele Tatsachen zu erzählen, welche die Form des Briefes sprengen würden.

Zum Abschluss wünsche ich Ihnen und dem ganzen Team erfolgreiche Arbeit beim Sammeln des historischen Materials aus der Kriegszeit, und anlässlich der Weihnachten - viel Gesundheit und nur glückliche Tage in dem Neuen Jahr 1998.

Xxxxx

PS. Falls Sie weiterhin meine Hilfe bräuchten, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Abschließend noch eine kleine Erklärung. Die Polen waren verpflichtet, auf ihren Kleidern den Buchstaben „P“ zu tragen, und die Russen das Abzeichen „Ost“. Um sich in der Stadt frei bewegen zu können, nahmen die Polen das Abzeichen ab. Daher sieht man es auf den beigefügten Fotos nicht.

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    1. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin, Postdamer Platz"

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    2. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin, Neue Reichskanzlei"

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    3. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin. Brandenburger Tor. Aufziehen der Wache"

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    4. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R.; (Berlin, 09.01.1943)

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    5. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R. ; (Berlin, 10.01.1943)

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    6. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männer; (Berlin-Baumschulenweg, 1943)

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    7. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Postdam-Sansscouci; (Potsdam bei Berlin, September 1943)

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    8. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R. im Park; (Oktober 1943)

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    9. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Postdam-Sansscouci; (Potsdam bei Berlin)

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    10. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Fotografie von Zenon R. und einem weiteren Mann auf einer Treppe vor einem Denkmal; (Berlin, Oktober 1943)

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    11. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Potsdam-Sansssouci; (Potsdam bei Berlin, September 1943)

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    12. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R. : Fotografie von Zenon R. und einem weiteren Mann im "Märchenbrunnen" im Von-der-Schulenburg-Park; (Berlin-Baumschulenweg, Oktober 1943)

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    13. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portraitfotografie; (Berlin)

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DZSW 1377
Kurzbeschreibung

Trotz der schweren Lebensumstände und der harten Arbeit erinnert sich Zenon R. an viele nette Begegnungen mit der deutschen Bevölkerung und deutschen Geistlichen, denen es gelang, ihm die schwere Zeit zu erleichtern.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1920

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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1. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin, Postdamer Platz"© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

2. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin, Neue Reichskanzlei"© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

3. Postkarte des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: "Berlin. Brandenburger Tor. Aufziehen der Wache"© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

4. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R.; (Berlin, 09.01.1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

5. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R. ; (Berlin, 10.01.1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

6. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männer; (Berlin-Baumschulenweg, 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

7. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Postdam-Sansscouci; (Potsdam bei Berlin, September 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

8. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portrait von Zenon R. im Park; (Oktober 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

9. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Postdam-Sansscouci; (Potsdam bei Berlin)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

10. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Fotografie von Zenon R. und einem weiteren Mann auf einer Treppe vor einem Denkmal; (Berlin, Oktober 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

11. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Gruppenbild mit Zenon R. und zwei weiteren Männern in Potsdam-Sansssouci; (Potsdam bei Berlin, September 1943) © Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

12. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R. : Fotografie von Zenon R. und einem weiteren Mann im "Märchenbrunnen" im Von-der-Schulenburg-Park; (Berlin-Baumschulenweg, Oktober 1943)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

13. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Zenon R.: Portraitfotografie; (Berlin)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt