Abschrift: xxxxx
Jhrg. 1922
xxxxx
Ukraine



5. Oktober 1997

Guten Tag, Gisela Wenzel!

Auch ich, xxxxx, geboren 1922, war in Deutschland. Geboren wurde ich im Dorf Senzowa, Kalininskaja Oblast. Bis zum Krieg lebte ich bei meiner leiblichen Schwester Polina in der Siedlung Nikolskoje, Leningradskaja Oblast. Im Jahre 1942 kamen die Deutschen dorthin und haben gleich den Junge xxxxx gehängt. Sie haben die Einwohner der Siedlung an dieser Stelle zusammengetrieben, haben allen gedroht. Danach hat man die ganze Jugend der Siedlung nach Deutschland geschickt (Mai 1942).

Mich hat General xxxxx (?) als Stubenmädchen ausgewählt. In Begleitung seines Adjutanten wurde ich nach Berlin geschafft, wo mich die Frau des Generals, xxxxx (?), und die Tochter xxxxx abgeholt haben. Ich habe bei ihnen anderthalb Jahre gearbeitet.
Als das Haus des Generals zerbombt wurde, zog seine Familie in die Ortschaft Winfleckem (?) um. Hier habe ich mit ihnen zwei Monate gelebt. Dann wurde ein Befehl erlassen über das Verbot, ausländische Bedienstete zu haben. Man hat mich zur Arbeit in die Fabrik "Mona" geholt. Ich habe Hülsen für Geschosse in Säure gewaschen, habe etwa acht Monate gearbeitet.

Wir wurden durch die Amerikaner befreit und zum Sammelpunkt nach Zwickau geschickt. Von dort aus hat man uns nach Hause gefahren. Unterwegs habe ich den Starschina xxxxx getroffen.

Er hat mich in seine Heimat, die Siedlung Blagoslowennoje, Krinitschanski Rayon, gebracht. Wir haben geheiratet. Im Jahre 1948 zogen wir in die Stadt Werchowzewo. Im Jahre 1995 starb mein Mann.

Ich beantworte einige Ihrer Fragen.

Meine Ausbildung sind drei Klassen Grundschule.

Meine Eltern kamen in den Kriegsjahren ums Leben.

In Berlin, in der Familie des Generals, habe ich viel gearbeitet Der Umgang mit mir war streng, aber bei ihnen war ich satt. In der Fabrik hat man jeweils 16 Stunden gearbeitet. Das Essen war schlecht. Lohn hat man weder hier, noch in der Familie des Generals gezahlt. Nach der Arbeit lagen wir müde, hungrig, es war kalt. Man hat eine sehr kleine Portion ausgegeben: Suppe, ein Stückchen Brot. Wir haben uns niemals satt gefühlt. Den größten Teil der arbeitsfreien Zeit befanden wir uns im Lager, lagen auf den Pritschen. Ärzte gab es keine. Wenn jemand krank wurde, so hat man ihn von der Arbeit befreit und ins Lager geschickt (hier wohnten wir, nicht weit von der Fabrik). Mit der deutschen Bevölkerung haben wir nicht verkehrt. Es gab keinen Briefwechsel mit niemandem.

Nach dem Krieg haben ich und mein Mann drei Mal bei anderen Leuten eine Unterkunft gemietet, haben viel gearbeitet, haben ein kleines Grundstück gekauft und mit eigenen Händen ein kleines Häuschen gebaut. In ihm wohne ich bis heute, zwei Söhne und die Enkelkinder leben für sich, kommen mich aber besuchen. Auf Wiedersehen.

xxxxx

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DZSW 1319
Kurzbeschreibung

Tatjana M. L. wurde 1922 in der Ukraine geboren. Sie wurde im Mai 1942 festgenommen und nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt, wo sie zuerst als Stubenmädchen bei der Familie eines Generals, dann in der Fabrik „Mona“ tätig war.

 

Herkunftsland: Ukraine

Geburtsjahr: 1922

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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