Abschrift: xxxxx
Jhrg. 1923
xxxxx
Ukraine

Geehrte Gisela Wenzel!


Ich habe Ihren Brief erhalten und bin Ihnen dafür sehr dankbar. Ich wurde am 9. Oktober 1923 im Dorf Swinjuchi (jetzt Priwitnoje) geboren. Anfang Juni 1942 (an das genaue Datum kann ich micht erinnern), aber es war ein Mittwoch, kamen zwei Polizisten zu mir und holten mich zum Sammelpunkt im Dorf Sboryschew, Gorochowski Rayon. Wir verbrachten dort 3-4 Tage, und von dort aus trieben uns die Deutschen unter Bewachung zur Bahnstation Gorochow. Dort wurden wir in Güterwaggons verladen und nach Berlin gefahren.

Zur damaligen Zeit hatte ich vier Klassen absolviert. Ich hatte Eltern, die im Dorf geblieben sind. In Berlin waren schon sehr viele von uns, aber 41 Menschen wurden nach Berlin-Köpenick in die "Nitrit-Fabrik" gebracht, die unweit des "Kodak"-Werkes lag. Ich arbeitete im Kraftwerk als Hilfmaschinist. Ich musste 12 Stunden täglich arbeiten. Wir wohnten alle in einer Baracke, die sich auf dem Fabrikgelände befand. Man benahm sich uns gegenüber normal. Wöchentlich wurde Lohn ausgezahlt, aber davon wurden Lebensmittel und Unterbringung abgezogen. Es blieb nur was für Coca-Cola übrig.

Das Essen war: 250 Gramm Brot pro 24 Stunden. Einmal pro 24 Stunden bekamen wir eine dünne Suppe, und zweimal bekamen wir schwarzen Kaffee ohne Zucker. An Feiertagen bekamen wir Kartoffeln. Zu essen gab es sehr wenig, man hatte keine Kräfte, um in den 2.Stock hinaufzuklettern. Oft schwollen die Beine an. Wenn jemand krank war, der wurde zu den Ärzten überwiesen. Wir schrieben Briefe nach Hause und bekamen sie von zu Hause, aber das sehr selten. Es wurde uns verboten, uns mit der deutschen Bevölkerung zu unterhalten, aber mit den Deutschen, die mit uns zusamen arbeiteten, war es erlaubt. Ich erinnere mich an Berlin-Spachdaz (?), Alexanderplatz, dort gab es eine ukrainische Kirche, an die Warschauer Straße, Weimar (?), den Tiergarten.

Am 24. April 1945 haben uns die russischen Truppen befreit. Nach der Befreiung war ich Teilnehmer an den Straßenkämpfen in Berlin und diente bei der Armee im Stab Halle, dann bis März 1947 in Leipzig. Dann kehrte ich nach Hause zurück.
Es war sehr schwer zu leben. Seit 1948 arbeitete ich im Kolchos, zuerst als Brigadier, und dann als Mechanisator.

Seit 1983 bin ich Rentner. Ich wohne mit der Frau zusammen. Ich habe zwei Töchter, die mit ihren Familien allein leben. Von den damaligen Zeiten habe ich ein Foto, auf dem viele Arbeiter und unser Chef, xxxxx, sind.
Damit werde ich meinen Brief beenden.

Auf Wiedersehen.

Ich wünsche Ihnen das Allerbeste.

Mit Hochachtung xxxxx



Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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DZSW 1308
Kurzbeschreibung

Der Ukrainer Dmitri P.D. wurde im Juni 1942 festgenommen und im Güterzug nach Berlin zur Zwangsarbeit verschleppt. Er war in einem Kraftwerk in Köpenick als Hilfsmaschinist tätig. Am Kriegsende beteiligte er sich an den Straßenkämpfen in Berlin.

 

Herkunftsland: Ukraine

Geburtsjahr: 1923

 

Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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