Abschrift: Xxxx


xxxx, geb. am 22.9.1919 in Łódź, Sohn von Kazimierz und Amalia, unvollständige Grundschulausbildung.
Ich wurde am 28.2.1940 nach Deutschland, nach Eberswalde bei Berlin verschleppt. Die Adresse war: Düsterwinkelbrücke (?). Der Betrieb hieß Stahlwerke. Mein Vorgesetzter hieß xxxx. 1941 versetzte man uns in einen anderen Betrieb in derselben Stadt. Dieser Betrieb hieß Ardelt-Werke, die Straße weiß ich nicht mehr. Wir wurden in Lagern untergebracht. Die Wohnbedingungen waren sehr schlecht: wir wohnten in Baracken, bekamen zwei Decken, einen Strohsack und Etagenpritschen. Die Baracken waren ungeheizt. Im Winter bekamen wir einen Eimer Kohle für 24 Stunden. Die sanitären Bedingungen waren schlecht: ein Raum, bestimmt als Baderaum für 5 Stuben, d.h. für etwa 90 Personen.

















Die Verpflegung
Trockener Proviant wurde dreimal in der Woche ausgegeben. Das war: 1 Brot (das wohl 1,4 kg wog) für vier Personen, also etwa 350 Gramm pro Kopf, dazu ein Stückchen Margarine oder ein Löffel Honig. Bekamen wir diesen Proviant z.B. am Samstag, so musste es für das Abendbrot am Samstag, für das Frühstück und Abendbrot am Sonntag und am Montag, sowie für das Frühstück am Dienstag reichen. Ohne Begrenzung gab es irgendwelchen Kaffee. Besser war es am Dienstag, da das Essen für Dienstag, Mittwoch und Donnerstag morgens bestimmt war. Manchmal bekamen wir 50 Gramm Wurst oder Leberwurst.
Zu Mittag gab es Steckrüben- oder Kohlsuppe. Man konnte darin ein Stückchen unbestimmtes Fleisch finden. Manchmal gab es Pellkartoffeln und dazu zwei Löffel Flüssigkeit, genannt Gulasch. Ein Glückspilz war jemand, der vier Kartoffeln ergatterte. Im
Frühjahr war die Hälfte von der Kartoffel zum weg werfen. Das war unser sehr bescheidenes Essen in der Woche.
Dem Polen war es nicht erlaubt, in die Kirche oder ins Kino zu gehen. Einmal in der Woche konnte man, am Samstag oder Sonntag, einen Passierschein bekommen.














Als man ausging, stand ein Wachmann am Tor und er ließ niemanden durch, ohne geprüft zu haben, ob der Buchstabe ,,P“ gut angenäht war. In die Läden durften wir nicht rein und ging man trotzdem rein, kaufte man sowieso nichts, da man uns nichts verkaufte.
Was die Kontakte mit der Familie betrifft, waren Sie ganz selten. Meine Eltern wurden nach meiner Ausreise im April in die Gegend von Krakau deportiert. An irgendeiner Bahnstation hielt der Zug an, man ließ die Leute aussteigen und gehen, wohin sie wollen. Meine Eltern fanden Obdach bei einer Bauernfamilie. Mein Vater war zwei Jahre lang gelähmt und dann starb er.
Uns von Zentralpolen behandelte man anders als Leute aus der Gegend von Posen oder Bromberg; sie wurden als quasi Inländer betrachtet, da diese Gebiete einmal zu Deutschland gehörten.
Meine erste Arbeit in den Stahlwerken: wir fertigten Artilleriegeschosse an. Das war eine sehr schwere Arbeit. Ich arbeitete 10 Stunden täglich an der Stanze. 400 Stück Geschosse sollte ich mit Kupfer umwickeln. Für diese schwere Arbeit gab es eine sehr niedrige Bezahlung. Wöchentlich bekam man etwa 20 Mark, davon sollte man die Unterkunft und die Verpflegung bezahlen.
1941 wurden wir in einen anderen Betrieb (Ardelt-Werke) versetzt. Die Arbeitsbedingungen in diesem Betrieb waren besser. Die Arbeit war präzise, aber leichter. Ich fertigte die Wasserminen an.













Der Meister war xxxx. Ich kannte auch andere Meister von anderen Abteilungen: xxxx xxxx xxxx der Betriebsleiter war; ich weiß nicht, was das bedeutete.
Ich kannte auch xxxx mit dem ich befreundet war. Dieser Mann verstand das Leben anders. Er lud mich zu sich nach Hause ein, in Freiwalde, Gartenstraße, die Nummer weiß ich nicht mehr. Von meinem Wohnort war es etwa 25 km entfernt. Ich war dort nur einmal, obwohl man mich öfter eingeladen hat. Aber meine Besuche konnten nicht öfter stattfinden, weil ich Schwierigkeiten hätte bekommen können. Ich kletterte über den Zaun, damit der Wachmann mich nicht sah. Als ich am Bahnhof war, war es für mich schwierig, die Fahrkarte zu kaufen; sie wollten den Ausweis sehen. Obgleich ich den Buchstaben „P“ abgenommen habe, glaubten sie mir nicht und wollten die Fahrkarte nicht verkaufen.
Aber xxxx, die Ehefrau von meinem Bekannten, war eine sehr gefühlvolle Frau. Als ich über den Aufenthalt in den Lagern erzählte, weinte sie, dass die Menschen den Menschen ein solches Schicksal bereitet haben.
1941 arbeitete ich also in dem Betrieb, in dem ich die Minen anfertigte. Fünf Personen arbeiteten mit diesen Maschinen. Wir arbeiteten in zwei Schichten. Einmal passierte mir etwas Unangenehmes. Der Kontrolleur, der unsere Arbeit prüfte, fand 13 Stück, die mangelhaft angefertigt waren. Außer mir arbeiteten dort Holländer, Belgier, Tschechen und Deutsche.

















Nur auf mich fiel der Verdacht. ,,Wo der Zaun nieder ist, will jedermann hinüber."
Die Polizei kam, um mich abzuholen. Mein Meister xxxx, auch xxxx von einer anderen Abteilung und zwei Polizisten waren dabei. Man sprach darüber, ob ich abgeholt werden sollte. Und obwohl ich schlecht Deutsch sprach, verteidigte ich mich selbst. Ich sagte, wenn ich schuld war, dann war es aber bestimmt keine Sabotage. Vielleicht war ich müde. Dann kam ich auf die Idee, dass jeder, der die Arbeit an der Maschine beendete, das Angefertigte abstempeln sollte, damit man weiß, wer das gemacht hat. Daraufhin sagten alle anwesenden Meister und die Polizisten, ich hätte Recht. Ich wurde nicht abgeholt. Und jeder bekam einen Stempel. Wer die Arbeit beendete, machte den Stempel darauf. Seit dieser Zeit kam so etwas nicht mehr vor. Jeder passte gut auf.
Zum Glück wurde ich nicht krank. Aber einmal passierte es: ich zog mir eine Erkältung zu. Mein Meister gab mir den Passierschein, damit ich zum Arzt ging. Es gab einen Betriebsarzt und man ließ mich die Temperatur messen. Die Krankenschwester sagte dem Arzt, wie hoch sie war: 380C. Der Arzt klopfte mir den Rücken ab und sagte, es sei nicht so schlimm, ich sollte zur Arbeit gehen. Ich verstand, was der Arzt auf Deutsch sagte. Es tat mir leid, dass

















man mich so behandelt. Ich kehrte zur Arbeit zurück und sagte dem Meister, was der Arzt sagte. Mein Meister xxxx war anderer Meinung, sagte der Arzt sei verrückt, gab mir den Passierschein und schickte mich ins Lager. Er selber kaufte Medikamente für mich, die mir dann meine Kollegen mitbrachten, damit ich gesund werde.
Was die Andenken aus dieser Zeit betrifft, habe ich ein paar Fotos. Denn nur im ersten Jahr durften wir einen Fotoapparat haben, im nächsten Jahr mußten wir sie abgeben.
Die Freizeit war nicht interessant. Man spielte Karten oder andere Spiele. Im Sommer ging man auf dem Lagergelände spazieren.
Während des Aufenthaltes und der Zwangsarbeit in Deutschland besaß ich eine deutsche Arbeitskarte. So vergingen über fünf Jahre der Zwangsarbeit. Nach der Rückkehr nach Łódź musste ich mich beim UB (Sicherheitsamt; politische Polizei - Anm.d.Ü.) melden. Man nahm mir meine Arbeitskarte weg, und ich bekam einen vorläufigen Personalausweis.
Damit beende ich meine Geschichte von dem Aufenthalt in Deutschland.




  • 1 von 8 Seiten
  • 2 von 8 Seiten
  • 3 von 8 Seiten
  • 4 von 8 Seiten
  • 5 von 8 Seiten
  • 6 von 8 Seiten
  • 7 von 8 Seiten
  • 8 von 8 Seiten
  • Informationen zum Bild

    1. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Tadeusz A.: Fotografie von sieben jungen Männer im Freien; (Eberswalde)

    1 von 2 Bildern
  • Informationen zum Bild

    2. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Tadeusz A.: Fotografie von sechs jungen Männern am Seeufer; (Eberswalde)

    2 von 2 Bildern
10 cm

20 cm
DZSW 1391
Kurzbeschreibung

In seinem Brief schildert der polnische Zwangsarbeiter Tadeusz A. die Facetten seines Lebens als Zwangsarbeiter. Ab 1940 war er in Rüstungsbetrieben zur Zwangsarbeit eingesetzt, wo er an der Herstellung von Munition arbeitete. Er kennzeichnet insbesondere die großen Unterschiede im Umgang mit Zwangsarbeitern, die von der Herkunft bestimmt wurde.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1919

 

 

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

1. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Tadeusz A.: Fotografie von sieben jungen Männer im Freien; (Eberswalde)© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

2. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Tadeusz A.: Fotografie von sechs jungen Männern am Seeufer; (Eberswalde)
© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt