Abschrift: xxxxx


Ich heiße xxxxx. Ich bin Polin, katholischen Glaubens. Ich wurde am 8. April 1923 in Łódź geboren. Ich wohnte zusammen mit meinen Eltern und Brüdern in Łódź in der Wólczańska-Straße 165 m. 2. Nach der Beendigung der Grundschule Nr. 44 ging ich auf eine Abendschule, die ich nicht abgeschlossen habe, da der Krieg ausbrach. Die Schulen wurden geschlossen, und die Jugend musste ab dem 14. Lebensjahr arbeiten. Meine Brüder hatten Gelegenheitsarbeiten und ich betreute meinen schwerkranken Vater. Nach seinem Tod am 5. April 1942 wurde ich sofort, am 27. April zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, und meine zwei Brüder ein wenig später. Bevor ich eingesetzt wurde, machte man mir ein Foto mit der Nummer 2362 (das Bild füge ich bei). Ich arbeitete in der Rüstungsfabrik von Krupp in Berlin-Neukölln, Thiemenstraße 11. Die achtstündige Arbeit in einer Schicht war nicht schwer. Ich baute die Uhrteile für Bomben (Raketen?) am Fließband zusammen. Die Löhne waren sehr gering, und man konnte ohnehin nichts ohne Zuteilungskarten kaufen. Ich wohnte in dem Fabrikgebäude. Die medizinische Betreuung war sehr schlecht, z.B. konnte man die Zähne nicht behandeln, sondern nur ziehen lassen.

Das Essen war miserabel. Es gab auch kein organisiertes religiöses Leben sowie keine Unterhaltungen. Wir waren mit dem Buchstaben „P“ gekennzeichnet, was uns die Bewegung außerhalb der Fabrik sehr erschwerte. Wurden wir ertappt, wenn wir illegal ins Kino gingen, so bestrafte uns die Lagerführerin mit zusätzlichen Arbeiten, z.B. mit dem Putzen der Klobecken. Unsere einzige Freude waren die Briefe von der Familie, die wir empfangen konnten, da Łódź als Litzmannstadt dem 3. Reich einverleibt wurde.

Über die deutschen Arbeitskolleginnen kann ich nicht klagen. Sie schmuggelten uns in die S-Bahn und U-Bahn, ins Kino, gaben uns heimlich Essen und trösteten uns, der Krieg sei bald vorbei und wir kehren nach Hause zurück.
1944 wurden alle Ausländer in die Munitionsfabrik in Treuenbrietzen versetzt. Die Bedingungen verschlechterten sich wesentlich. Die Fabrik befand sich im Walde, und wir wohnten in Baracken auf Etagenbetten. Ich arbeitete von 6 bis 18 Uhr oder von 18 bis 6 Uhr, die ganze Zeit im Stehen. Als Folge davon zog ich mir Gelenkentzündung zu, aber ich lag nur kurz in der Krankenstube und ging zur Arbeit zurück. Das Essen war katastrophal: durchgefrorene Kartoffeln und Steckrüben.

Das Kriegsende nahte, man hörte die Front. Die Freude über die Befreiung wurde von Befürchtungen überschattet, was aus uns in diesem Wald wird, da sich hier verzweifelte deutsche Soldaten versteckten und man nicht wusste, wie sie sich uns gegenüber verhalten werden. Um den 20. April 1945 besetzten sie unsere Baracken, und mit auf uns gerichteten Gewehren führten sie uns - so wie wir dastanden, ohne Gepäck, ohne Papiere - in eines der Gebäude hinein, wo sie uns wie Heringe im Fass zusammenpferchten und einsperrten. Wir erlebten einen Schock, da wir annahmen, sie werden uns verbrennen. Und so etwas kam 1939 vor! Aber der schnelle Einmarsch der sowjetischen Truppen bewirkte unsere Befreiung, wobei in die Baracken zurückzukehren schon unmöglich war. Für uns begann die Hölle: Wir irrten bei Hunger und Kälte, in ständiger Angst herum und suchten nach einer Übernachtungsmöglichkeit, nach Essen, nach dem Weg nach Polen. Ein paar Wochen lebten wir in schrecklicher Gefahr durch die Front und die vergewaltigenden Soldaten. Dann wurden wir von Russen, die uns angehalten haben, zu einer Kaserne in irgendeiner Ortschaft geschickt, wo man uns zu essen gab und in der Nacht leider vergewaltigte. Morgens liefen wir davon und stiegen in leere Viehwaggons ein, die an der nahen Bahnstation standen. Als sie bis zum Unmöglichen mit Menschen gefüllt waren, setzte sich der Zug in Bewegung in Richtung Osten, wobei er vielmals angehalten wurde. Unterwegs gab es Schikanen und Durchsuchungen. Nach einer ziemlich langen Zeit gelangten wir nach Łódź. An der Bahnstation kampierten tage- und nächtelang viele Familien, die nach ihren Nächsten Ausschau hielten. Und so gelangte ich in die Arme meiner Mutter! Es war ein großes Glück. Unwichtig, dass wir dreckig und hungrig waren, aber wir lebten und waren wieder zusammen. Bald kehrten auch meine Brüder zurück. Als ich mich ein wenig ausgeruht und Kräfte gesammelt hatte, musste ich arbeiten gehen. Von der Schule war keine Rede, und meine Familie brauchte Hilfe. Ich arbeitete in einer Fabrik, in der Kurzwaren hergestellt wurden, was mir ein bescheidenes Einkommen und Lebensmittelkarten einbrachte.

1950 heiratete ich meinen früheren Verlobten, xxxxx xxxxx

Mein Mann arbeitete bei der Eisenbahn, und ich in der Garnfabrik. Ich zog meine Kinder groß, die mit Gottes Hilfe ihre Ausbildung erlangten: xxxxx

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Ich füge drei Fotos bei; sonstige Dokumente sind nicht erhalten geblieben.

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DZSW 1475
Kurzbeschreibung

Janina B. war bei der Herstellung von Munition in Berlin tätig. Trotz der schweren Arbeit und Lebensverhältnisse beschreibt sie am eindringlichsten die Ereignisse am Kriegsende.   

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1923

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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