Abschrift: xxxxx
Jhrg. 1926
xxxxx
Ukraine


Guten Tag, geehrte Archivarbeiter, und auch Eure Leiterin,
Frau Gisela Wenzel

Ich gratuliere Euch zum Neuen Jahr 1998. Ich wünsche Euch alles Gute, gute Gesundheit, Glück und Wohlergehen für die Familie, damit Ihr und Eure Kinder nicht die Schrecken des Krieges kennenlernen möget. Die Sonne scheine Euch für Eure Familien und in der Liebe. Nicht so, wie wir es in den Lagern des faschistischen Deutschlands ... in unseren Jugendjahren im furchtbaren Krieg erlebt haben.

Meine verehrten unbekannten Freunde, Euren Brief habe ich erhalten, für ihn Euch meinen herzlichen Dank. Na, die Antwort hatte sich etwas verzögert. Wisst Ihr, ich habe jetzt viel Zeit, nur eine Sorge, die Hauswirtschaft.

Na, und jetzt werde ich beschreiben, was Euch interessiert. Und ich bin Zeuge dessen, was für Euch interessant ist. Wie ich Euch schon geschrieben habe, habe ich in Köpenick bei der GASAG gearbeitet, so haben wir das Werk genannt. Ich habe im ersten Stock am Kontrollband gearbeitet, habe die Kästchen hinaufgestellt und runtergenommen, und die deutschen Frauen haben mit Geräten die Kugeln für das Schützengewehr und die Maschinenpistolen geprüft. Im Erdgeschoß hat man ... die Geschoßhülsen geprüft, und in den Kellern hat man ... zusammengefügt und in Kisten verpackt. Dort haben Deutsche mit Sonderausweis gearbeitet. Das ist alles, was ich Euch kurz über die GASAG erzählen kann. Und danach hat man uns zur DEMAG, zum Panzerwerk, überwiesen, wo man den Panzer "Ferdinand" hergestellt hat. Ich habe in einem Labor bei Ingenieur xxxxx, einem Tschechen der Nationalität nach, gearbeitet. Unsere Arbeit war so: es haben dort sechs Leute gearbeitet, oder man kann sagen Jugendliche (?). Wir haben die Festigkeit des Metalls überprüft und ließen es in die Produktion gehen. Wir hatten Verbindungen zu Politischen (?). Das war ein großes Risiko, aber wir gingen es ein. Sie waren von der Außenwelt abgeschnitten, und wir haben ihnen Zeitungen übergeben. Sie waren eingenäht in ... und es wurde vereinbart, wann sie sie bekommen würden. Wir haben gesehen, wie sie die Zeitung herausgezogen haben und zur Toilette gelaufen sind. Einer von den Unseren ging zusammen mit dem Meister zu ihnen in die Werkhalle: alles wurde vereinbart. Der Meister wusste davon nichts. Wie haben sie uns gedankt! Sie haben gesagt, dass unsere Hilfe für sie besser als Brot sei.

Von ihnen haben etwa 200 Menschen im Werk gearbeitet. Man hat sie zu 8 Mann in einer Reihe geführt. Vorne ein Zug mit Maschinenpistolen-Schützen, an den Seiten Bewachung mit Schäferhunden und hinten wieder welche mit Maschinenpistolen. Interessant war, dass sie einander, wenn sie geführt wurden, nur auf den Hinterkopf schauen durften. Und wenn jemand, auch nur einer, zur Seite schaute, so wurden alle bestraft. An den Toren des Werkes stand ein Wlassow-Mann, ein käuflicher Hund. Mit uns hat er nicht gesprochen. Da passierte einmal ein Vorfall. Jemand ging um ... zu holen. Und plötzlich erlosch das Licht, Fliegeralarm. Zwei Häftlinge haben das ausgenutzt und sind geflohen. Nach dieser Flucht war jeden Tag eine Razzia. Na, und außerdem hat man sie vom Lager mit Autos zur Arbeit gebracht, die mit Planen abgedeckt waren. Das ist das, was wir selbst gesehen haben.

Und jetzt beschreibe ich, wie man sie aus dem Lager befreit hat. Wir wurden doch in die Stadt Nauen evakuiert. Wir waren Augenzeugen. Die, die in den Wald geflüchtet waren, haben alles gesehen. Wie ein Motorrad mit Beiwagen angefahren kam. Drei Menschen kamen zu den Lagertoren, das Motorrad begann zu brennen, die Lagerwachen hatten sich verspätet ... Die Tore öffneten sich, und man warf sich auf die Menschen mit dem Motorrad, man hat diese Soldaten länger als eine Stunde auf den Händen in die Luft geworfen. Das ist das, was ich Ihnen beschreiben kann. Na, alles kann man nicht beschreiben. Das schreibe ich Euch in Kürze. Schreibt, was Euch interessiert, ich werde noch etwas hinzufügen. Mich interessiert, was jetzt aus den Lagern geworden ist, in denen wir gewohnt haben. Stehen sie bis jetzt an der Station Adlershof 9-1982 ?

Nun kurz über mich selbst. Wir leben mit Omachen zu zweit. Der Sohn lebt das 18. Jahr im Norden. Na, Jelzin schuldet ihm für das ganze Jahr den Lohn. Die Tochter wohnt acht Kilometer entfernt - xxxxx.

Die Rente zahlt man mit großer Verzögerung. Zu Hause haben wir eine Kuh, Schweine, Hühner, Gänse, wir haben Bienenkörbe. Also kommt im Sommer zum frischen Honig. Ich habe von 42 bis 49 in Deutschland gelebt, habe mich an allem sattgesehen. Damit werde ich schließen. Bleibt gesund. Möge Euch im Neuen Jahr alles gelingen, mögen in Euren Familien Frieden, Ruhe und Wohlergehen herrschen.

Darin besteht unser Neujahrsgruß für Euch.
Auf Wiedersehen.

Auf der Karte: Ich gratuliere Euch zum Neuen Jahr, zum neuen Glück, und wünsche Euch gute Gesundheit und Familienglück in Eurem Haus und die Fortset


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DZSW 1343
Kurzbeschreibung

Michail I.K. wurde 1926 in der Ukraine geboren. Er wurde 1942 nach Berlin zur Zwangsarbeit verschleppt, wo er bei GASAG und DEMAG tätig war.

 

Herkunftsland: Ukraine

Geburtsjahr: 1926

 

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Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

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