Abschrift: xxxxx

Zur Zwangsarbeit nach Deutschland wurde ich im Oktober 1943 verschleppt. Ich war damals 22 Jahre alt. Ich wurde am 6. Juli 1921 in Łódź geboren, habe mittlere Ausbildung. Ich war im Übergangslager in der Kopernik- und in der Łąkowa-Straße in Łódź, von wo man eine Gruppe von über 200 Mädchen nach Brandenburg, und nach ein paar Tagen weiter nach Strausberg, 37 km von Berlin entfernt, brachte. Wir wurden auf dem Fabrikgelände Märtüchen Walzwerk GmbH, Strausberg bei Berlin, untergebracht. Man wies uns eine große Fabrikhalle zu, in der Etagenpritschen und eiserne Schränkchen standen. Wir arbeiteten bei der Herstellung von Munition. Nach ein paar Monaten wurden wir ins Ostlager Igelphül versetzt, wo wir in Baracken wohnten. In einer Stube wohnten wir 16 Mädchen, im Alter von 14 bis 28 Jahren. Das Ostlager befand sich gleich hinter der Fabrikmauer und war mit Stacheldraht umzäunt. In der Stube gab es Etagenpritschen mit Strohsäcken aus Papier und Kissen mit Sägespänen ausgestopft. Auf den Pritschen lagen graue Laken und jeweils eine Decke.
Ich arbeitete in der Lackiererei, ich brachte Hülsen von Geschossen an einem eisernen Rahmen an, die dann in Kesseln lackiert wurden. Die Arbeit erfolgte unter gesundheitsschädlichen Bedingungen, im Dunst von Farben und Lacken. Ich arbeitete in zwei Schichten, am Tag und in der Nacht, 12 Stunden täglich, von 6 bis 18 und von 18 bis 6 Uhr früh. In der Lackiererei erkrankte ich an den Augen, und bis heute leide ich unter Bindehautentzündung. Für diese schwere Arbeit bekam ich 12 Mark und ein paar Pfennige monatlich. Als ich unseren Betreuer fragte, warum ich so wenig verdiene, antwortete er, dass man uns die Unterkunfts- und Verpflegungskosten abzieht. Dabei war die Ernährung sehr, sehr schlecht und unzureichend, und in der Baracke war es kalt, weil wir ganz wenige Briketts zum Heizen im Ofen bekamen.
Die Mittagessen wurden in der Kantine ausgegeben. Sechsmal in der Woche gab es Suppen: aus Kartoffeln, Kohl und Kartoffeln, Kartoffeln mit Nudeln, Graupen. Aber am häufigsten gab es Suppe aus Steckrüben. In den Suppen waren Würmer drin. Sonntags gab es zu Mittag immer Kartoffeln, vier Stück mit Pelle und eine kleine Bulette, dazu dicke Mehlsoße. Oft kam es vor, dass zwei oder sogar drei Kartoffeln verfault und ungenießbar waren, was man erst nach dem Pellen sah. Zum Frühstück und Abendbrot bekamen wir trockenen Proviant. Ein längliches Brot von 700 bis 800 g wurde einmal in der Woche ausgegeben. Dazu bekamen wir täglich 10 g Margarine und einen Esslöffel Marmelade oder gärenden Schichtkäse, bzw. eine Scheibe Hartkäse, sonntags eine Scheibe Wurst. Wir bekamen auch Zucker in einer Pappschachtel, 250 g einmal in der Woche. Schwarzen, ungesüßten Kaffee nahmen wir uns aus den Kannen in der Kantine.
In der Fabrik gab es eine Ambulanz. Der deutschen Krankenschwester half ein Arzt, Italiener, Kriegsgefangener, namens xxxxx. Sie betreuten ausländische Kranke. Der Zugang zum deutschen Arzt war für uns erschwert. Außer Polen arbeiteten in der Munitionsfabrik Franzosen, Holländer, Belgier, Russinnen und italienische Kriegsgefangene.
Die heilige Messe in der Kirche begannen wir im April 1944 zu besuchen. Einmal im Monat hielt ein deutscher katholischer Priester die Messe für die Polen, auf Deutsch. Das dauerte bis Dezember 1944, denn im Januar untersagte man uns grundsätzlich, das Lager verlassen zu dürfen. Bis dahin durften wir sonntags mit dem Passierschein in die Stadt ausgehen, vorausgesetzt, dass der Lagerführer kein Vergehen unsererseits fand. In solchem Fall wurde die Erlaubnis, in die Stadt auszugehen, ausgesetzt. Im April 1945 wurde die Fabrik evakuiert.
Wir durften Briefe nach Hause, nach Polen schreiben und bekamen auch von Zuhause Pakete mit Kleidung und Lebensmitteln, deren Menge und Gewicht jedoch beschränkt waren. Die Briefe aus Polen wurden kontrolliert und wir bekamen sie mit großer Verspätung. In der Lackiererei wurden Kleidung und Schuhe schnell verbraucht, da wir keine Schutzkleidung bekamen. Um unsere eigenen Lederschuhe zu schonen, kauften wir uns Holzschuhe, und mit denen gingen wir zur Arbeit.
Die Polen wurden gekennzeichnet. An der Kleidung mussten sie ein Quadrat angenäht haben: ein paar Quadratzentimeter Stoff, auf dem gelben, violett umrahmten Feld der violette Buchstabe „P“. Das Fehlen dieses Abzeichens wurde bestraft.
Der Stellvertreter von unserem Lagerführer, mit dem wir am meisten zu tun hatten, hieß xxxxx. Der Verantwortliche für Versorgung und Verpflegung hieß xxxxx; an die Vornamen von den beiden Herren kann ich mich nicht mehr erinnern.
Über die Arbeit hinaus hatte ich keine Kontakte zu den Deutschen aus der Stadt. Ich hörte nur, dass manche Mädchen befreundete deutsche Familien in Strausberg hatten. Ich arbeitete dort vom Oktober 1943 bis zum April 1945. In den Baracken setzten mir am meistens Kälte, Hunger, Wanzen an den Wänden und in den Pritschen, sowie meine kranken Augen zu.
xxxxx

Ich füge Fotokopien von meinem Passierschein, dem Abzeichen mit dem Buchstaben „P“ sowie mein aktuelles Foto bei.


Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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DZSW 1469
Kurzbeschreibung

Die polnische Zwangsarbeiterin Kazimiera B. wurde bei der Herstellung von Munition in Strausberg eingesetzt.

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1921

 

 

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Angaben zur Zwangsarbeit
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