Abschrift: xxxx

Ich wurde am 26. März 1926 in Łódxź geboren. Bis zum Ausbruch des Krieges absolvierte ich sechs Klassen der Grundschule. Am 6. Oktober 1941 mußte ich mich, im Alter von 15 Jahren, beim Arbeitsamt registrieren lassen. Man schickte mich zwangsweise zur Arbeit in die Textilfabrik in Łodź. Ich arbeitete dort 12 Stunden täglich, in zwei Schichten, 6 Tage in der Woche.

Im Oktober 1943 kamen Gestapo-Beamte in die Fabrik und holten die Mehrheit der Jüngeren, so wie wir da standen, in unseren Arbeitskleidern ab. In einer Kolonne unter Bewachung führten sie uns ins Lager in der Kopernik-Straße in Łódź. Nach ein paar Tagen, als das Lager voll wurde, brachte man uns in das andere Lager in der Łąkowa-Straße. Wieder nach ein paar Tagen führte man uns unter Bewachung zum Bahnhof Łódź-Kaliska. In Güterwaggons fuhr man uns nach Frankfurt an der Oder. Dort teilte man uns die Nummern zu; meine war: 50/722. Nach dem Zusammenstellen des Transports wurden wir nach Berlin-Johannisthal gebracht. Untergebracht hat man uns in einem Lager, je 20 Personen in der Stube, mit Etagenpritschen. Das Lager war mit einem hohen Drahtnetz mit Stacheldraht umzäunt und lag gegenüber der Flugzeugfabrik.

Von diesem Lager gingen wir zur Fabrik, wo man uns anlernte. Die Arbeit dauerte wieder 12 Stunden, in zwei Schichten. Man gab uns Arbeitsbekleidung. Ich wurde angelernter Schlosser und arbeitete in der Flugzeughalle. Ich schraubte mit dem Schraubenzieher verschiedene Blechteile an die Flügel der Bombenflugzeuge. Nach einiger Zeit wurde ich in den Lagerraum versetzt, wo ich verschiedene Teile reinigte und lagerte. Dort arbeitete auch ein Deutscher, xxxxx, im Alter um die 40, sowie ein anderer älterer Deutscher, etwa 60 Jahre alt, der viel Mitleid mit uns hatte, aber mit uns nicht sprechen durfte. Von Zeit zu Zeit brachte er mir heimlich ein wenig Sauerkraut. Er versteckte es an verschiedenen Stellen und mit Gesten zeigte er mir, daß ich das aufessen darf. Da wir ständig unter Hunger litten, schmeckte mir dieses Sauerkraut so sehr, daß ich es bis heute im Gedächtnis behalten habe. Die beiden Herren verdienten, daß man sie in guter Erinnerung behält, nicht wie die übrigen.

Im Winter 1943/44 brannte unser Lager und Bunker nach einem schweren nächtlichen Luftangriff vollständig nieder, samt unseren Habseligkeiten. Im Splitterbunker hatten wir nur das, was wir anhatten und die Decken dabei. Panikartig verließen wir den brennenden Bunker, mit Decken bedeckt. In panischer Angst kletterten wir über den hohen Zaun mit Stacheldraht, ohne die Verletzungen zu beachten. Am Morgen trieb man uns von der Gegend zusammen und brachte uns in ein anderes Lager entfernt etwa 10 km vom Flugplatz Schönefeld-Teltow. Von dort gingen wir täglich zur Arbeit nach Johannisthal (die Fabrik blieb unversehrt). Nach dem Aufbau des Lagers kehrten wir an den alten Ort zurück.

Während eines Luftangriffes führte man uns aus dem Lager heraus, aber man ließ uns nicht in den deutschen Luftschutzkeller hinein. Wir liefen in panischer Angst in das nahe Wäldchen, wo wir auf dem Boden liegend den Luftangriff abwarteten. Nach dieser Bombardierung wurde ich in die unterirdische Flugzeughalle versetzt, wo verschiedene metallene Teile zusammengeschweißt wurden. Das Geräusch der zischenden Flamme versetzte mich in Schrecken. Ich fürchtete mich und weinte stundenlang. Mit Schreien und Stößen zwang man mich zu dieser Arbeit.

Im August 1944 wurde ich nach Langsalza an den Flugplatz versetzt, wo ich bis November 1944 arbeitete. Im November bekam ich ein Telegramm vom Zuhause mit der Nachricht von dem Tod meines Vaters. Ich flehte den Lagerdolmetscher an und er verschaffte mir den Passierschein und die Erlaubnis von der Ortspolizei, so daß ich mit dem Zug nach Hause fahren konnte. Ich bekam den Urlaubsschein unter der Bedingung, daß ich mit Sicherheit zeitig ins Lager zurückkehre; im anderen Fall würden sie die Gestapo benachrichtigen.

Meine Kommilitoninnen legten für mich das Geld für die Reise zusammen. Dank dessen bin ich glücklich, obwohl nicht ohne Abenteuer, nach Hause gelangt. Auf der Reise nahm ich den Buchstaben "P" ab. Während einer Ausweiskontrolle mußte ich als Polin die Geldstrafe bezahlen, weil ich mit dem D-Zug fuhr. In Łódź bin ich in der Nacht angekommen, und schon wieder mußte ich eine Geldstrafe bezahlen: für den Verstoß gegen die Ausgangssperre. Als ich zu Hause angelangt war, entschloß ich mich, nicht mehr ins Lager zurückzukehren. Das Ende des Krieges kam immer näher. Ich hielt mich bis zum 19. Januar 1945, der Befreiung von Łódź, vor der Gestapo versteckt.

Während des Aufenthaltes in den Lagern bekamen wir die Mahlzeiten einmal täglich, nach der Arbeit. Eine solche Ration bestand aus: 5 Kartoffeln von verschiedener Größe, manchmal sogar verfaulten, 500 Gramm glitschiges, schwarzes Brot, 1 Löffel Zucker, 1 dünne Scheibe Preßkopf, groß wie ein halber Handteller. Der Preßkopf wurde manchmal durch einen Löffel Marmelade oder einen kleinen Becher Schnecken in Aspik ersetzt. Wir bekamen auch eine Kelle dünner Suppe, ohne Kartoffeln, ohne Nudeln und den schwarzen Kaffee. Meistens verzehrten wir alles gleich nach dem Ankommen in der Stube, da wir den Alarm befürchteten. Es kam in Berlin auch vor, daß man uns sonntags zum Ausladen der Ziegelsteine aus den Baracken holte, und dafür bekamen wir 50 Gramm Schwarzbrot.

Die Arbeitslöhne waren minimal, da der Rest angeblich für den Unterhalt des Lagers verwendet wurde. Das Geld, das wir bekamen, reichte für ein paar Flaschen süßen Malzbiers, das den ständigen Hunger etwas stillte. Wenn wir Passierscheine bekamen, fuhren wir zum Alexanderplatz und bemühten uns, indem wir unsere "Ps" versteckten, den sogenannten Gemüsesalat zu kaufen, da nur dieser ohne Lebensmittelkarten erhältlich war.

Die medizinische Versorgung erhielten wir im Lager, jedoch ohne festes medizinisches Personal. Die Freizeit verbrachten wir in den Stuben, wo wir die Wäsche machten, unsere Kleider reparierten und Briefe schrieben. Einmal im Monat wurde eine Entlausung durchgeführt.

In der Nähe von unserem Lager gab es eine Kapelle, die wir versuchten zu besuchen. Wenn man aber den schlecht versteckten Buchstaben "P", unser "Erkennungszeichen" entdeckte, wurden wir auf der Stelle, in Begleitung von deutschem Gestammel, hinausgeführt. Jegliche Kontakte mit der deutschen Bevölkerung waren unmöglich.
In der Heimat ging es auch nicht viel besser zu. Man hat uns aus unserem eigenen Haus ausgesiedelt und uns eine Wohnung, mehr als zehn Kilometer entfernt, zugeteilt. Wir durften nur die nötigsten Sachen behalten. Meine Eltern arbeiteten ebenso 12 Stunden täglich, schichtweise. Mein Vater wurde von einem Deutschen zusammengeschlagen und dies nur dafür, weil er ihn nicht begrüßte.

Für diese tragischen Erlebnisse und die Sklavenarbeit bekam ich von der Stiftung xxxxx
Kann man das als irgendeine Wiedergutmachung bezeichnen? Meine Kommilitoninnen von der Stube leben leider nicht mehr (ich war die jüngste). Nach der Befreiung ging ich arbeiten, schloß die Grundschule und die Berufsschule ab. Xxxxx

Xxxxx

Ich füge die Kopie der Arbeitskarte, Fotos und Briefmarken bei.

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DZSW 1403
Kurzbeschreibung

Nach der Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Berlin litt Daniela Sz. unter der hohen  Arbeitsbelastung, Hunger und den späteren Luftangriffen. Die Nachricht vom Tod ihres Vaters veranlasst sie dazu, einen Fluchtversuch zu unternehmen.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1926

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt