Abschrift: Xxxxx


geb. am 14. Dezember 1912 in Ruszczyn, Gemeinde Kamieńsk, Kreis Piotrków Trybunalski.

(Anm. d. Ü.: Es ist ein sehr chaotisch verfasster Bericht in zwei sich teilweise überlappenden Teilen, so dass nur Ausschnitte übersetzt werden können.)
Seit 1940 wohnten wir in Piaski, wo wir eine Landwirtschaft (3 ha 64 a), zwei Kühe, ein Pferd, zwei Schweine und 20 Hühner hatten. ... Die Deutschen brauchten unsere Gebäude für ein Lager und daher siedelten sie mich und meinen Mann am 1. Mai 1942 morgens aus. Drei Deutsche stürzten herein und in ein paar Minuten mussten wir das Haus verlassen. Sie versiegelten die Tür. Alles ließen wir zurück und niemals bekamen wir etwas wieder. Man brachte uns nach Łódź in die Łąkowa-Straße 21. Als wir in diesem Übergangslager angekommen sind, nahm man uns die Trauringe, Lebensmittelkarten und bessere Kleider weg. So begann für uns diese Kriegshölle.

Von Łódź brachte man uns nach Belgard (Białogard). Dort hielt man uns ein paar Tage lang in Güterwaggons. Die Bedingungen waren katastrophal. Dann brachte man uns nach Falkenburg. Von dort holte uns der Bauer Otto Fuchs ab. Er war 52, seine Ehefrau Klara 46. Sie hatten zwei Söhne: Ferenz und Johann. Der ältere war schon an der Front und kam in Russland um. Johann ging auf die Mittelschule in Drawsko. Das Dorf hieß Gryberg (?). Mit dem Bauern ging es irgendwie, aber diese Ehefrau quälte uns schrecklich, sie prügelte mich. Die Arbeit war schwer, wie eben auf dem Acker. Sie kochte manchmal Pellkartoffeln für uns und sagte, zum Trinken haben wir das Leitungswasser.
Als wir bei diesem Bauern waren, gab es dort einen polnischen Sklaven, der einmal etwas nicht machte, was ihm die Deutsche sagte, und sie ließ ihn erhängen. Man ließ uns Polen zusammenkommen und ein Deutscher sagte zu uns, wenn wir es in den Himmel eilig haben, so kann er uns gerne dabei helfen. Er war 30 und hieß Viktor.
Bei dem Bauern arbeiteten wir für das Essen, manchmal gab er uns 5 Mark für Briefmarken. Dann schickte er uns nach Falkenburg zurück. Von dort fuhr man uns nach Piła, lud uns in einen sehr langen Zug und brachte uns nach Wilhelmshagen bei Berlin. Erst dort begann die wahre Hölle. Die Lagerführung war ukrainisch. Sie ernährten uns mit verfaulten Steckrüben. Wenn man um ein wenig Wasser bat, bekam man keines. Dort waren wir 2 Wochen. Wieder in der Nacht wurde ein Zug bereitgestellt und man fuhr uns nach Berlin Falkensee. Alles erfolgte in der Nacht: wir mussten Schlange stehen, um Decken und Schüsseln zu bekommen. Dann wurden wir selektiert und zum Siemens-Betrieb geschickt. Zunächst führten uns die Wachmänner dahin. Ich arbeitete in der Charlottenburger Straße 17, wo ich verschiedene Metallteile bearbeitete. Also die Arbeit war nicht schwer, aber das Leben katastrophal. Wir wurden zusammen mit den russischen Sklaven ernährt, wieder verfaulte Steckrüben und Kartoffeln. Ein bisschen besser wurde es erst dann, als man die Russen wegbrachte und an ihre Stelle die Kroaten kamen.

In der Charlottenburger Straße arbeitete ich bis zum 5. März 1943. Mein Mann arbeitete auf einer Baustelle. Am 6. April 1943 gebar ich den Sohn Marek. Wieder wurden wir umgesiedelt: nach Berlin Finkenkrug in die Nauenstraße. Dort gingen die Kinder in die Kinderkrippe und ich arbeitete in der Nähe. ... Aber es dauerte nicht sehr lange und wir wurden wieder versetzt: nach Spandau West, wo ich bis Ende Januar 1945 arbeitete. ... Wir arbeiteten von 6 bis 19 Uhr. Mit der Drehmaschine machten wir solche Kügelchen aus Messing, es war eine sehr präzise und schwere Arbeit. Man zahlte uns dürftige Groschen, so daß wir die ganze Zeit fast umsonst arbeiteten. Im Lager gingen wir hinter die Baracken, um dort ein wenig Gras zu essen.


In Falkensee war der Lagerführer erträglich, aber der in Finkenkrug war sehr gemein. Ich erinnere mich, ich wusch die Decke und hängte sie auf dem Zaun auf. Dafür schickte er mich nach Potsdam. Aber die Deutschen dort hatten Mitleid mit mir, da ich mein Kind bei mir hatte, und ließen mich nach 24 Stunden frei. Gott segne sie dafür. 1944 wurden wir ins ARB Lager (so im Original - Anm. d. Ü.) in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße versetzt. Und der Lagerführer dort war kein Mensch, er war schlimmer als Hitler. Was wir dort erlitten haben, läßt sich gar nicht beschreiben. ... Als die Russen sich in Bewegung setzten, wurde er woandershin versetzt. An seine Stelle kam ein älterer Herr, der sehr gut war. Er erhöhte die Milchrationen für die Kinder. Als die Russen kamen, wollten sie ihn töten, aber wir Polen retteten ihn. Er dankte uns sehr.
Die ganze Zeit wohnten wir im Lager von Siemens und arbeiteten bei Siemens. Die Wanzen stachen uns sehr. Im Sommer, wenn es keine Luftangriffe gab, schliefen wir draußen auf der Erde. Es gab keine medizinische Betreuung. Einmal im Monat konnten wir in die Kirche gehen, aber es war sehr weit und wir waren schwach. ... Meine Mutter und Schwester waren im GG, aber dort gab es großes Elend und sie konnten uns nichts zuschicken. Die Schwester meines Mannes aus Łódź schickte uns vielleicht dreimal die Brotmarken zu. ...
Am 6. Oktober 1944 gab es einen schrecklichen Luftangriff auf diese Fabriken in Spandau West. Die Deutschen hatten ihre Luftschutzräume in den Kellern unter der Fabrik und wir hatten nur den gewöhnlichen Splittergraben. Als der Luftangriff begann, begannen alle Nationalitäten in diesem Graben auf ihre Weise zu schreien und zu beten. Viele Leute wurden taub, viele junge Leute ergrauten. Auf diesen Graben fiel eine Bombe, die aber nicht explodierte. Und im Keller waren 350 Menschen und ein Pole unter ihnen. ... Alle verbrannten, nur dieser Pole rettete sich. Es gab eine große Trauer.
1944 war ich wieder schwanger, da man sagte, Familien mit zwei Kindern werden nach Polen zurückgeschickt. Aber am 13. Dezember 1944 starb plötzlich unser Söhnchen Marek. Trotz dieses Elends wuchs er sehr gut heran, während andere Kinder kränkelten. Morgens fuhr ihn mein Mann zu der Kinderkrippe und ging zur Arbeit. Die Schwester sagte, er erbrach plötzlich, sie brachte ihn ins Krankenhaus. Er starb bei ihr. Er wurde im Tempelhof, in der Eisenstraße 19 begraben, gegenüber der Kapelle. Am 15. März 1945 waren wir zum letzten Mal an seinem Grab. ... Am 3. April 1945 gebar ich im Luftschutzbunker das Töchterchen Marta. Die Geburtshelferin war eine russische Schwester, Maria.
(Dann beschreibt sie die Rückkehr nach Polen, zu ihrer Landwirtschaft, wo alles ausgeraubt, niedergebrannt und herunterwirtschaftet war, so dass sie nichts zum Leben hatten. Dann kamen die stalinistischen Jahre, die alle möglichen Plagen über die Familie brachten. Schließlich brannte der Hof nieder. Die Familie ging nach Łódź, wo sie sich Arbeit suchten. Der Acker ließ sich aber nicht verkaufen und sie mussten nach wie vor Steuern zahlen, da sie „Grundbesitzer“ waren. Später kamen noch andere kommunistische Vorschriften dazu, so daß die Familie nie aus dem Elend herauskam. - Anm. d. Ü.)
Ich arbeitete bis zu meinem 63. Lebensjahr. Dann wurde ich krank und ging in Rente. ... Mein Mann ging 1969 in Rente, aber lange noch hatte er eine halbe Stelle, da wir die Schulden für die Aufforstung des Ackers zurückzahlen mussten. Die letzten Schulden zahlten wir 1980 zurück. Erst damals endete das Grauen, das uns seit 1942 verfolgte. ... Am 26. Oktober 1996 starb mein Mann. Von zwei Renten war es uns leichter zu leben. ... Was die Entschädigung betrifft, wir hatten keine Papiere. Als wir nach Polen zurückkehrten, nahmen uns unterwegs die Russen alles weg. ... Dann fand ich die Familie, die zusammen mit uns in der Stube wohnte. Xxxxx schrieb ein paar Male auf Deutsch an Siemens, aber sie antworteten, wir seien in den Archiven nicht verzeichnet. Erst das Rote Kreuz fand uns. Mir rechnete man 19 Monate Arbeit und meinem Mann 29 Monate an. ... Dabei waren wir dort volle drei Jahre. Wieder wurden wir benachteiligt. So ein Schicksal war wohl für uns vorbestimmt. In diesem Grauen lebten wir 57 Jahre lang.
Ich schicke Ihnen ein Foto und das Kärtchen von Mareks Taufe zu, sowie den Stadtplan Berlins. Alles war bei der Schwester und wurde daher nicht verbrannt. Diesen Stadtplan hoben wir auf, da wir dachten, daß wir vielleicht noch einmal im Leben zum Friedhof fahren würden, wo unser Kindlein liegt. Aber die Umstände ließen es nicht zu, diese Stelle noch einmal zu sehen.

Die ganze Woche lang schreibe und weine ich. Vielleicht wird jemand darüber lachen, aber ich schwöre, es ist die Wahrheit. Wenn Ihr ein gutes Herz habt, unterstützt mich ein wenig finanziell, damit ich etwas für die Medikamente habe.
Vielen Dank.
xxxxx


Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

  • 1 von 8 Seiten
  • 2 von 8 Seiten
  • 3 von 8 Seiten
  • 4 von 8 Seiten
  • 5 von 8 Seiten
  • 6 von 8 Seiten
  • 7 von 8 Seiten
  • 8 von 8 Seiten
  • Informationen zum Bild

    Dokument der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Joszefa Sz: Liniennetz der Berliner S- und U-Bahn (BVG) aus dem Jahr 1944, mit gekennzeichneten Haltestellen der ehemaligen Zwangsarbeiterin
    Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt; dzsw1807

    1 von 1 Dokumenten
DZSW 8684
Kurzbeschreibung

Jozefa Sz. wurde gemeinsam mit ihrem Mann ausgesiedelt und zur Zwangsarbeit deportiert. Sie war Zuschauerin einer grausamen Erhängung von einem Zwangsarbeiter. Während der Zeit der Zwangsarbeit gebar sie zwei Kinder, eines davon starb.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1912

 

Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Dokument der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Joszefa Sz: Liniennetz der Berliner S- und U-Bahn (BVG) aus dem Jahr 1944, mit gekennzeichneten Haltestellen der ehemaligen Zwangsarbeiterin
Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt; dzsw1807© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt