Abschrift: Xxxxx



Bezugnehmend auf den Aufruf von Frau Gisela Wenzel, betreffend die Zwangsarbeit der Polen in Berlin, schildere ich meinen Aufenthalt in Berlin. Die ganze Geschichte fing am 14. September 1941 an. Mein Mädchenname ist xxxxx geboren am 14. Februar 1927 in Lubraniec, Wojewodschaft Włocławek, der Name meines Vaters ist Antoni.

Es war am Sonntag, 14. September 1941. Zu mir nach Hause kamen deutsche Gendarmen und holten mich ins Gefängnis ab. Von dort brachte man mich nach Łódź. Hier war ein Übergangslager. Dort blieb ich drei Wochen. Das Schlafen auf dem Fußboden. Die Ernährung: 0,5 Liter schwarzer Flüssigkeit (Kaffee), eine Scheibe Schwarzbrot. Die Leute waren aus ganz Polen: Kinder, Jugendliche und Ältere. Nach drei Wochen ging der ganze Transport nach Berlin. Nach zwei Tagen wurde ich ins Lager gebracht. Es waren alte Baracken, wo es nur schmuddelige Betten und Dreck gab. Als wir diesen Dreck sahen, begannen wir alle zu weinen. Das war furchtbar. Daraufhin erbarmten sich unser die Deutschen und führten uns in ein anderes Lager, wo es sauber war. 22 Frauen unterschiedlichen Alters, von 14 bis 40 Jahren, wohnten in einer Stube. Wir waren aus verschiedenen Gegenden von Polen. Wir haben uns sehr geliebt und uns gegenseitig geholfen. Wir waren wie eine Familie. Die Einrichtung der Stube: Etagenbetten, ein Tisch, Bänke, kleine Schränke, ein Waschraum mit Wasserhähnen für die ganze Baracke. Im Winter bekamen wir zum Beheizen der Stube 15 Briketts. Das reichte nicht, um es dort warm zu machen. Wir schliefen zu zweit, um uns zu wärmen. Die Ernährung war sehr schlecht: ganz wenig, 250 Gramm Brot für 24 Stunden und einmal täglich eine dürftige Suppe: Steckrüben, Rüben- und Brennesselblätter usw., dann 20 Gramm Margarine oder ein Stückchen Marmelade aus Blättern. Wir waren oft hungrig.

Ich arbeitete im Gummiwerk Daubitz, Berlin-Rudow, Kopernikus-Straße, als einfache Arbeiterin 12 Stunden täglich. Es war das Kleben der Sperrballons. Die Arbeit war für mein Alter sehr schwer. Der Leim stank, uns taten die Augen weh und tränten. Die ärztliche Betreuung gab es im Betrieb. In dem Betrieb arbeiteten Leute verschiedenen Alters und unterschiedlicher Nationalitäten: aus Belgien, Holland, Frankreich, Juden und Polen. Ich arbeitete zusammen mit deutschen Frauen, aber an die Namen kann ich mich nicht erinnern. Die Chefin war Frau xxxxx der Meister hieß xxxxx ... Manche Deutsche halfen mir, hatten Mitleid mit mir, da ich mit 14 Jahren so schwer und so viele Stunden arbeiten muss. Aber es gab auch solche, die uns zusetzten und meistens auf der Straße Streit mit uns suchten. Es war die Hitlerjugend, die uns trat und schlug, weil wir den Buchstaben „P“ tragen mußten, mit dem wir gekennzeichnet waren.

1944 kamen Luftangriffe und Bombardierungen dreimal in 24 Stunden. Während der Arbeit versteckten wir uns in den Betriebsbunkern, in der Nacht in primitiven Luftschutzgräben im Lager. Die Luftangriffe nahmen zu. Keine von uns glaubte, nach Hause zurückzukehren. Es war schrecklich. Ich dachte an das Jahr 1939 zurück, als die Truppen Hitlers Polen überfielen. Damals dachte ich, es sei das Ende. Am 15. April war die Front ganz nahe. In diesem ganzen Durcheinander geriet ich zwischen zwei Fronten: die russische und die englische. Das dauerte zwei Wochen. Ich hatte Angst vor den Russen und mir war es lieber, bei den Engländern zu landen. Zusammen mit einer Gruppe von Polen flüchtete ich nach Hamburg und dort blieb ich bis zum Ende des Krieges am 9. Mai 1945. So endete mein Kriegsschicksal.

Nach einer langen Trennung und Sehnsucht bin ich wieder daheim bei meinen Nächsten. Umarmungen, Weinen, große Freude. Es läßt sich nicht beschreiben, man muß das erlebt haben. Meine Familie, erfüllt von Liebe, begann das Leben von neuem. Es gelang uns zu überleben. Im Juni 1946 heiratete ich den Mann, mit dem ich zusammen im Lager war xxxxx

Nun meine Bitte. Ich bitte Frau Gisela Wenzel, falls möglich, mir mitzuteilen, ob der Betrieb, in dem ich arbeitete, immer noch existiert. Und wenn ja, bitte ich Sie um die genaue Adresse. Mit einer Kollegin planen wir einen Ausflug nach Berlin. Ich grüße Sie herzlich und bitte um eine Antwort.

  • 1 von 1 Seiten
  • Informationen zum Bild

    Fotografie der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Helena C.: Fotografie zweier Frauen

    1 von 1 Bildern
DZSW 1516
Kurzbeschreibung

Helena C. war in dem Gummiwerk Daubitz als Zwangsarbeiterin tätig. Als die englische und die russische Front gleichzeitig näherrückten, floh sie mit einer Gruppe Polen nach Hamburg.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1927

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Fotografie der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Helena C.: Fotografie zweier Frauen© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt