Abschrift: Xxxxx


Ich heiße xxxxx wurde am 11. Mai 1926 in Janków, Wojewodschaft Łódź als Tochter eines Bauern geboren. Ich absolvierte sechs Klassen der Grundschule. 1940 wurden wir von unserer Landwirtschaft ausgesiedelt und vertrieben. Wir wohnten provisorisch bei der Familie, ich suchte Arbeit. Schließlich bekam ich Arbeit bei einem Deutschen aus Bessarabien.
Im Oktober 1941, als ich mit meiner Mutter mit der Straßenbahn nach Łódź fuhr, stiegen zwei Gendarmen ein und brachten uns in die Łąkowa-Straße in Łódź. In der Łąkowa-Straße gab es damals ein Lager, in dem man Menschen vor der Verschleppung nach Deutschland sammelte. Ich war zu dieser Zeit 15 Jahre und 5 Monate alt. Am 31. Oktober wurden wir nach Deutschland in ein Lager bei Berlin gebracht, an den Ortsnamen kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Lager befand sich im Wald. An demselben Tag wurden wir nach Berlin abgeholt, in das Lager in Adlershof. Es war ein Lager für die Russen. Ab 1. November begann ich in der Firma Daubitz im Stadtbezirk Rudow in der Köpenicker Straße zu arbeiten.

Einen Monat lang blieben wir kaserniert. Zur Arbeit führte uns ein Wachmann und er holte uns nach 18 Uhr ab. Nach einem Monat verlegte man uns in eine neu erbaute Baracke in der Köpenicker Straße. In der Stube waren Etagenbetten, Strohsäcke ohne Kopfkissen, eine graue dünne Decke ohne Bezug und Laken, es gab eine Schüssel, einen Krug, in dem wir Kaffee für uns alle holten. Und wir waren etwa 20 Frauen unterschiedlichen Alters - von 14 bis 40 Jahren. Es gab ein Waschbecken mit Wasserhahn und Kaltwasser, einen Tisch, zwei Bänke und kleine Schränke. Das Essen war so, dass ich mir heute gar nicht vorstellen kann, wie man damit Menschen ernähren konnte. Also: Steckrüben, getrockneter Kohl, verschiedenes Unkraut, eingeweichte Nudeln, die vormittags gekocht bis zum Abend da standen. Für 24 Stunden gab es ein Viertel Brot, nicht mehr als 250 g, etwa 30 g Margarine und ein genauso großes Stückchen harter Marmelade.

Die Arbeit begannen wir um 6 Uhr früh und arbeiteten bis 19 Uhr, dazwischen gab es eine Frühstücks- (15 Minuten) und eine Mittagspause (30 Minuten). Meine Arbeit war nicht schwer. Ich fuhr mit einem Wagen die Ballons, die dann im Ofen gehärtet wurden; man nannte sie Sperrballons. Man teilte mir keine andere Arbeit zu, all die Jahre arbeitete ich bei den Ballons. Ich arbeitete zusammen mit einer Deutschen namens Elisa, sie war etwa 30 Jahre alt, an ihren Namen kann ich mich nicht erinnern. Sie war meine Chefin und von ihr erfuhr ich nichts Schlimmes. Die Hauptchefin war xxxxx eine ältere Dame im Alter von etwa 80 Jahren. Der Betriebsleiter war ein Mann namens Hermann. Ich erinnere mich noch an zwei andere Namen: xxxxx. Dort arbeiteten noch mehr Deutsche, aber in anderen Hallen, so daß ich mit ihnen keinen Kontakt hatte. In dieser Firma arbeiteten noch Holländer, Belgier, Franzosen, Tschechen, Russen, Italiener und Polen. Die Tage waren sich sehr ähnlich. Immer die gleiche Arbeit vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung. Die Entlohnung für die Arbeit betrug über 100 Mark monatlich. Die Freizeit gehörte mir.

Im Lager gab es ungefähr 1000 Personen verschiedener Nationalitäten. Im Lager gab es den Lagerführer xxxxx und den Wachmann, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Tagtäglich kam ein Arzt ins Lager, und falls jemand seine Hilfe brauchte, so nahm er sie in Anspruch. Ein religiöses Leben gab es nicht. Der Kontakt mit der Familie - nur brieflich. Es gab keinen Urlaub. Ich hatte Kontakt zu zwei deutschen Familien, die ich durch einen Belgier, meinen Arbeitskollegen, kennenlernte. Sie waren nett zu mir. Es waren ältere Herrschaften, ohne Kinder, sie betrachteten mich wie ihre Tochter. Darüber hinaus war ich im Lager nicht einsam, da ich in der Stube zusammen mit meiner Mutter war. Mein Bruder arbeitete auf einem Gutshof, 18 km von Berlin entfernt, Deutschwusterhausen (?), so daß wir uns fast jeden Sonntag sahen. Wir durften mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.

Mein Vater und meine zwei Brüder blieben in Polen; sie arbeiteten bei den Deutschen. Niemand von meiner nächsten Familie kam um. Berlin wurde oft bombardiert. Und als am 2. Februar 1945 eine große Bombardierung erfolgte, so dauerte die Hölle bis zum Ende des Krieges an. Man saß 18 Stunden lang im Luftschutzkeller. Im März gab es schon weniger Luftangriffe am Tag, und dann mussten wir die Panzergräben ausheben. Manche fuhren zur Enttrümmerung Berlins. Anfang April sollten wir in den Süden Berlins evakuiert werden. Aber wir - vier Kollegen aus dem Lager, eine Freundin, meine Mutter und ich - gingen zu meinem Bruder. Die Männer arbeiteten auf dem Hof und die Frauen blieben zu Hause. So warteten wir bis zum Anrücken der russischen Front ab. Nach dem Einmarsch der Russen wurden wir ein Stückchen weiter, etwa 20 km evakuiert. Das dauerte aber nicht lange, wir kehrten wieder zurück und liefen dann zu Fuß über die Autobahn von Königswusterhausen bis Reppen, von dort fuhren wir mit dem Zug nach Poznań und weiter nach Łódź. Von Łódź nach Łęczyca und dann 9 km zu Fuß nach Hause. Zu Hause sind wir am 9. Mai 1945 angelangt, aber wir hatten praktisch kein Zuhause mehr. Das Haus, das 1939 nicht niedergebrannt wurde, wurde später auseinandergenommen. Wir trafen dort nur den Vater und meinen 15jährigen Bruder an; der 21 jährige Bruder war beim Militär. Bis zur Ernte gab es Armut. Gab uns jemand aus Erbarmen etwas, so mußten wir damit überleben.

1946 ging ich nach Łódź zur Arbeit. Anfangs arbeitete ich bei privaten Firmen, und von 1948 in der Näherei, bis ich in Rente ging. Xxxxx Ich füge ein Foto aus jener Zeit bei, auf dem ich, meine Mutter und eine Kollegin zu sehen sind. Ich bin das Mädchen im schwarzen Kleid.

Berlin war zu dieser Zeit grau und düster, Wohnhäuser mit 9 und 11 Stockwerken. Ich erinnere mich an den Alexanderplatz, Potsdam und Hitlers Quartier. An viele Sachen erinnere ich mich nicht mehr.

Ich bitte Sie, mir zu bestätigen, dass Sie meinen Brief bekommen haben. Und ich bin neugierig, ob diese Gummifabrik im Stadtbezirk Rudow immer noch existiert.

Ich danke Ihnen im Voraus

Xxxxx


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DZSW 1520
Kurzbeschreibung

Während einer Straßenrazzia gefangen genommen, wurde Katarzyna C. mit ihrer Mutter nach Berlin verschleppt, wo sie für die Fa. Daubitz tätig war. Sie geht auf die alltäglichen Lager- und Arbeitsverhältnisse ein.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1920

 

 

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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