Abschrift: Xxxx

Auf Ihren Aufruf antwortend, erlaube ich mir, Ihnen das zu schreiben, an was ich mich noch erinnere, da 54 Jahre seit der Verschleppung nach Deutschland vergangen sind. Heute heiße xxxx damals hieß ich mit dem Mädchennamen xxxx. Geboren wurde ich am 26.3.1928, habe mittlere Ausbildung (mit dem Abitur - Anm. d. Ü.).

Ich begann in Łódź schon als 13jähriges Kind zu arbeiten. Das war im Jahr 1941, ich arbeitete bei einer deutschen Familie. Leider erinnere ich mich nicht mehr an ihren Namen, daher habe ich das nie angegeben, xxxx. Seit 1942 arbeitete ich in der Baumwollfabrik Eisenbraun in Łódź, in der Spinnerei. 1943 wurde ich direkt von der Arbeit abgeholt und mit dem Auto ins Durchgangslager in der Kopernik-Straße gebracht. Dort verbrachte ich etwa 10 Tage, dann brachte man mich in die Łąkowa-Straße. Von dort wurde nach einigen Tagen eine ganze Gruppe von Erwachsenen und Kindern zum Bahnhof Łódź Kaliska zum Zug geführt, und wir fuhren ab.

Nach einer Fahrtunterbrechung wegen der Bombardierung brachte man uns ins Lager bei Frankfurt an der Oder, wo ich zwei Wochen blieb. Dann gab es, nach der Desinfektion und dem Bad, eine ärztliche Untersuchung. Man kennzeichnete uns mit Nummern (ich bekam 4572), und wir landeten in dem anderen Teil des Lagers, dem sogenannten „sauberen“. Man verteilte uns auf verschiedene Ortschaften, alle in der Nähe von Berlin. Trotz meiner Krankheit entließ mich die ärztliche Kommission nicht nach Hause, sondern stufte mich als fähig zu leichter Arbeit ein. Auf diese Weise gelangte ich in die Fabrik AEG Heinkel Waltersdorf in Berlin-Grünau.

Diese Fabrik befand sich im Walde, und die Baracken, unsere Unterkunft, standen am Waldrande, umzäunt und verschlossen. Verlassen konnte man sie nur unter Vorlage eines Passierscheines. Nur während des Luftangriffs ließ man uns in den Wald. Im Lager wohnten viele Nationalitäten. Außer Polen waren dort auch Holländer, Belgier, Franzosen, Italiener und Russen. Aber die Frauen und Kinder waren zum größten Teil aus Polen. Dort blieb ich bis zum Kriegsende, d.h. bis Mitte Mai 1945.

Wegen des ärztlichen Attestes arbeitete ich im Lager der Flugzeugteile. Ich verpackte sie zur Auslieferung. Dann war ich als Hilfskraft im Wirtschaftsbüro beschäftigt. Der Chef dieses Büros war Herr W. Trapp, sein Stellvertreter Herr Krüger. Dort arbeiteten auch Frau Wolff und Herr Gülle. Dort arbeitete ich bis zum Kriegsende, wobei ich verschiedene Tätigkeiten ausführte.

Die Arbeit dauerte 12 Stunden täglich, und ich bekam dafür einen Lohn in Höhe von 7 Mark monatlich. Dazu kam noch die Zuteilung am Sonntag und Donnerstag: jeweils 300 g Brot, eine kleine Scheibe Margarine (etwa 20 g), dazu einen Eßlöffel Marmelade aus Steckrüben. Das Mittagessen bekamen wir nach der Arbeit in der Kantine: Suppe aus Steckrüben oder zwei Pellkartoffeln mit Mehlsoße, manchmal ein Stückchen Pferdefleisch. Wenn man Geld hatte, konnte man sich im Betriebsladen etwas zu trinken, Limonade oder Bier, kaufen, leider nichts zu essen.

Es fehlte eigentlich jegliche medizinische Versorgung. Wir, unsere Kleider, Decken und auch die Räume wurden nur ständig desinfiziert, wegen der Wanzen, die uns buchstäblich auffressen wollten. Wir wohnten in hölzernen Baracken, schliefen auf Stroh auf hölzernen Etagenpritschen. Zum Zudecken hatten wir graue, dreckige und stinkende Decken. Aber während meines ganzen Aufenthaltes, vom Oktober 1943 bis Mai 1945, schlief ich wohl keine einzige Nacht auf der Pritsche durch. Meistens saß man wegen der Luftangriffe im Luftschutzgraben.

Die Freizeit: Da wir die Anstrengung, den Dreck und Hunger vergessen wollten, veranstalteten wir verschiedene Sportspiele. Das Herumsitzen in der Baracke war besonders im Winter schwer, und das Lager konnten wir nur mit dem Passierschein verlassen, auf dem

die Uhrzeit der Rückkehr aufgeschrieben war. Übrigens, wenn man schon ausgehen wollte, musste man ein paar Kilometer zurücklegen, da es von der einer Seite den Wald, von der anderen Felder gab und zur Stadt weit war.

Kontakte mit der Familie waren nur mittels Briefwechsels möglich, wobei die Briefe nicht immer ankamen. Aber ich muss feststellen, hätte es die Hilfe der Familien in Form von Paketen (mit Kartoffeln und altem Brot) nicht gegeben, hätte man das kaum überleben können.
Daher gehören meine Arbeit und mein Aufenthalt dort nicht zu meinen angenehmsten Erinnerungen. Zumal jetzt, im hohen Alter, gesundheitliche Folgen davon zutage treten. Die nächtlichen Aufenthalte im Luftschutzgraben riefen xxxx xxxxxxxx, und die Angst des Kindes von damals sowie seine Sehnsucht nach der Familie

xxxx

Aber das Glück und Gottes Gnade halfen, nach Hause zu der Familie zurückzukehren und nicht dort zu bleiben, was mit zwei meiner Kolleginnen geschah. Sie liegen dort, auf dem Friedhof in Waltersdorf, umgekommen während der Bombardierung in demselben Luftschutzgraben, in dem auch ich saß.

Es fiel mir schwer, mein Schicksal als Kind darzustellen. Ich erinnere mich an nicht viel, da nach der Heimkehr man die ganze verlorene Zeit, diese schwere und schmerzhafte Zeit der Erniedrigung, Verfolgung, und Anstrengung aus dem Gedächtnis ausradieren wollte. Dazu kamen noch Dreck und Hunger, und das im so jungen Alter, als der Organismus soviel für seine Entwicklung brauchte und nichts bekam.

Nicht allen gelang es, Dokumente aus Deutschland im guten Zustand aufzubewahren. Mir blieb ein unvollständiges Dokument, zerfallend, aber mit meinem eigenen Foto, und was am wichtigsten ist, mit meinem Fingerabdruck. Die Kopie davon füge ich bei. Ich schicke Ihnen auch ein Foto, das im Fenster der Baracke aufgenommen wurde (ich bin da links zu sehen), sowie eines meiner neuesten Fotos.

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    Dokument in Kopie: Arbeitskarte der ehemaligen Zwangsarbeiterin Janina D.; Firma Heinkel Flugzeugwerke Waltersdorf; ausgestellt am 05.10.1943

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    Fotografie der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Janina D.: Fotografie zweier junger Mädchen (Janina D., rechts) am Fenster einer Baracke

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DZSW 1420
Kurzbeschreibung

Bereits als 13-jähriges Mädchen musste Janina D. als Haushaltshilfe arbeiten. Trotz einer ärztlichen Bescheinigung wurde sie nach Berlin deportiert und erhielt die Zuweisung zu einer leichten Arbeit in dem Flugzeugwerk.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1928

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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Dokument in Kopie: Arbeitskarte der ehemaligen Zwangsarbeiterin Janina D.; Firma Heinkel Flugzeugwerke Waltersdorf; ausgestellt am 05.10.1943
© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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Fotografie der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin Janina D.: Fotografie zweier junger Mädchen (Janina D., rechts) am Fenster einer Baracke© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt