Abschrift: Xxxxx

Erinnerungen aus der Zeit der Zwangsarbeit in Deutschland.

Bezugnehmend auf den Aufruf der Berliner Geschichtswerkstatt, den ich über den Verband der vom 3. Reich Geschädigten Polen bekam, überreiche ich Ihnen meine Erinnerungen.
Ich wurde am 26. Dezember 1927 in Warschau geboren. Bis zum Ausbruch des Warschauer Aufstandes schloss ich die vierte Klasse des Gymnasiums (selbstverständlich im Untergrund, in verschiedenen Privatwohnungen, ohne Bücher und Notizen) ab. Darüber hinaus besuchte ich dreimal in der Woche die Berufsschule für Modistinnen und dreimal in der Woche hatte ich ein Praktikum in einem Hutgeschäft in der Krakowskie Przedmieście (eine Straße in Warschau - Anm. d. Ü.).

Nach der Kapitulation des Aufstandes wurde ich, wie alle Stadtbewohner von Warschau, ins Übergangslager in Pruszków deportiert. Ich war damals 17 Jahre alt und völlig alleine, ohne Familie, von der ich damals nichts wusste. Im Lager in Pruszków (es waren riesengroße Fabrikhallen) saßen wir auf dem Betonfußboden. Es war kalt und herrschte Hunger: Wir bekamen 0,5 l Suppe pro Tag. Nach drei Tagen wurde eine Selektion durchgeführt: Alte und Kranke wurden weit weg aufs Land geschickt, die jüngeren zur Zwangsarbeit nach Deutschland, Österreich oder in die Tschechoslowakei, je nach Anforderungen einzelner Betriebe. Zusammen mit einer Gruppe von jungen Menschen wurden wir in Viehwaggons eingeladen und in unbekannte Richtung verschleppt. Wir fuhren zwei Tage lang in plombierten Waggons. Unsere physiologischen Bedürfnisse erledigten wir in die Näpfe oder Töpfe, die wir dabei hatten, deren Inhalt wir dann durch das vergitterte Fensterchen ausschütteten.

Erst am zweiten Tag wurde der Zug irgendwo inmitten von Feldern angehalten, und die bewaffneten Wachmänner, die uns bewachten, machten alle Waggons auf, damit wir die Not verrichten konnten. Das war sehr erniedrigend und unter aller Menschenwürde, woran übrigens niemand von uns damals dachte. Es gab nur das Gefühl der Erleichterung und ein paar Atemzüge frischer Luft. Dann stiegen wir wieder in die Viehwaggons ein und fuhren weiter. Endlich erreichten wir ein Lager im Wald. Ich weiß nicht, was für eine Ortschaft das war. Ich weiß nur, dass sich dort ein Sommerlager für Jugendliche von der Hitlerjugend befand. In den Baracken gab es Etagenbetten, nackte Pritschen (getrennt für Frauen und Kinder). Dort war es so eng, dass sich alle umdrehen mussten, wenn einer das tun wollte: Wir lagen dort zusammengepfercht wie die sprichwörtlichen Heringe im Fass.

Am schlimmsten war es wohl, als alle Frauen in den Baderaum in einer der Baracken zusammengetrieben wurden. Man nahm uns Kleider und Unterwäsche zur Entlausung, und wir mussten nackt auf dem Betonfußboden stehen. Man machte uns Fotos und teilte die Nummern zu, die zur Registrierung im Büro nötig waren. Dann mussten wir breitbeinig mit gesenktem Kopf über dem Abfluss stehen, und das männliche Personal (bei Männern war es eine Frau) begoss alle behaarten Stellen mit irgendeiner, stinkenden fettigen Flüssigkeit; angeblich sollte das vorbeugend gegen Läuse wirken. Dann ließen sie abwechselnd kaltes und sehr warmes Wasser laufen und lachten uns aus.

Nach dieser Verrichtung (das Haar blieb ungewaschen und fettig) hielten sich die Läuse an uns wie verhext. Dann wurden wir von einem Arzt untersucht. Alle, die sich über etwas beschwerten, wurden überhaupt nicht untersucht. Als ich also an der Reihe war, sagte ich, ich sei vollkommen gesund und man kann auf die Untersuchung verzichten. Er betaste mich wohl 10 Minuten lang. Ich fühlte mich so erniedrigt und entwürdigt wie noch nie in meinem Leben.

Jeden Morgen um 6 Uhr wurden wir geweckt und aus den Baracken auf den Appellplatz hinausgetrieben, wo wir unabhängig vom Wetter bis 19 Uhr saßen, bis man uns wieder in die Baracken einließ. Auf dem Platz gab es zwei Reihen von Waschbecken. Vor den Toiletten stand immer eine Warteschlange, da wir täglich 1 l Suppe, angeblich aus Eichenlaub und anderem Grünzeug, bekamen.

Während wir auf dem Platz saßen, fühlten wir uns wie das Vieh auf dem Markt. Es kamen verschiedene Deutsche, sie schauten sich uns an und suchten sich Arbeiter aus. Dann musste man ins Büro, wo ein Dokument zu unterzeichnen vorlag, dass man hierher freiwillig zur Arbeit kam. Ich und ein paar Jüngere bäumten uns auf und wollten solches Dokument nicht unterzeichnen. So saßen wir draußen, bei Regen und bei Kälte, eine ganze Woche lang. Länger hielten wir nicht mehr aus, weder physisch noch psychisch. Also meldeten wir uns als Freiwillige. Man schickte uns in eine Munitionsfabrik.

Dahin fuhr man uns am späten Abend mit Lastwagen, bewacht von bewaffneten Soldaten. Wir fuhren ziemlich lange durch eine große Stadt. Durch die Löcher in der Plane sah ich viele Zäune und staunte, dass während des Krieges so viel gebaut wird. Erst später stellte sich heraus, dass wir durch das bombardierte Berlin fuhren, wo man Zerstörungen mit Zäunen unsichtbar machen wollte.

Man brachte uns nach Birkenwerder bei Berlin. Untergebracht wurden in einem großen Gebäude, einem einstigen Theater oder Kino: Am Ende des großen Saals gab es ein Podest, eine Art Bühne. Überall standen Etagenbetten aus Holz, mit Strohsäcken. Jede deckte sich mit dem, was parat war, zu, oder schlief in Kleidern, da es kalt war. Morgens dachte ich, ich erkrankte an Fleckfieber. Aber es stellte sich heraus, wir alle haben auf dem ganzen Körper seltsame Flecken: Das waren unglaublich viele Flohstiche.

Vom Lagerführer (den Namen weiß ich nicht mehr) erfuhren wir, dass wir in der Munitionsfabrik in Berlin-Tegel arbeiten sollten. Am Morgen führte ein unbewaffneter Wachmann unsere Gruppe zu der U-Bahn, mit der wir zusammen mit italienischen und ukrainischen Arbeitern zur Fabrik fuhren. Es war ein riesengroßer Betrieb. Angeblich zog sich das Gelände: 7 km lang, mit vielen verschiedenen Hallen, Gebäuden, Bunkern, Luftschutzgräben, Straßen. Man musste aufpassen, um sich dort nicht zu verirren.

Man führte uns in eine riesengroße Halle herein, wo ununterbrochen ein höllischer Lärm herrschte: von vielen Kränen, die oben an der Decke befestigt waren. Ich dachte, mein Kopf platzt gleich. In dieser Halle erklärte man uns (was wir sowieso nicht verstanden) die Arbeit einzelner Maschinen, zeigte, wo sich der Umkleideraum und die Toilette (etwa 0,5 km von der Halle entfernt), die Ambulanz und die Stechuhr befinden. Die Arbeit war sehr schwer. Ich arbeitete mit der Werkzeugmaschine, mit der ich Artilleriegeschosse herstellte. Lange Späne zog man mit einem speziellen langen Draht heraus, die kürzeren fielen auf den Fußboden herunter, man konnte sich verbrennen; sie drangen sogar in die Arbeitsholzschuhe ein. Am Ende der Schicht musste man in der Umgebung der Maschine saubermachen, Späne in einen Behälter werfen, der später mit den Kränen weggebracht wurden.

Der Meister war ein junger Deutscher (lungenkrank und deswegen nicht an der Front). Er war ziemlich menschlich. Zu seinen Aufgaben gehörte, die Dicke der Geschosse mit einem Messinstrument zu prüfen. Ich machte alles sorgfältig, es gab also keine Probleme. Oft ging man aber in die Toilette (eine lange Reihe von Klosettbecken, nur durch Seitenwände getrennt, ohne Türe), um sich dort ein wenig zu erholen und den schönen italienischen Gesang anzuhören. Hinter der Trennwand gab es die Männertoilette. Ab und zu kamen die Deutschen herein und vertrieben uns mit dem Geschrei: „Raus!“ Die Ukrainerinnen, die dort länger arbeiteten, brachten uns bei, wie man sich verhalten soll, um dort möglichst lange bleiben zu können: sich auf das Klo einfach hinsetzen und den Rock herunterziehen.

Ich arbeitete in drei Schichten, acht Stunden täglich. Für die Nachtschicht bekam man den Passierschein. Unterwegs bewachte uns niemand. Man fuhr selbständig mit der U-Bahn. Eines Abends, als ich von der zweiten Schicht zurückkehrte, stieg ich in die U-Bahn ein. Ich sah niemanden im Waggon und rief ganz laut: „Ist jemand da? Wo seid ihr?“ Und plötzlich, oh Schreck, hob sich von einer Bank ein Gestapo-Beamter, ging auf mich zu, schrie: „du polnisches Schwein!“ (ich verstand, was das bedeutet) und schlug mich ins Gesicht so stark, dass er mir meinen Unterkiefer ausrenkte. Blut floss mir über das Gesicht, aber ich war glücklich (wie wenig braucht ein Mensch, um glücklich zu sein), dass er mich nicht in ein Straflager brachte, was oft geschah. Als der Zug anhielt, stieg ich aus, damit ich in dieser Gesellschaft nicht weiter fahren musste, und wartete auf den nächsten. Bis heute habe ich Schwierigkeiten mit der Kinnlade, besonders beim Zahnarzt. Ich kann den Mund nicht weit aufmachen oder gähnen, da ich mir den Unterkiefer wieder ausrenke.

Am Anfang verspätete ich mich oft. Zunächst stürzte ich in die Halle herein, um meine Arbeitskarte in die Stechuhr zu stecken, dann lief ich in den Umkleideraum, was eine Weile dauerte, da er ziemlich entfernt von der Halle war. Meine Maschine stand während dessen still. Als die Meister das bemerkten, und das gleiche machten viele von uns, stellten sie einen Wachmann an der Stechuhr auf, damit er uns nicht erlaubte, die Karte zu stechen, solange wir die Arbeitskleider nicht anhatten. Jedenfalls hatte ich ein paar Verspätungen, und man zog es mir vom Lohn ab. Und der Lohn reichte nur für die Essenskarte aus, die einmal im Monat am Wohnort ausgegeben wurde. Ich hatte also zu wenig Geld, um das Essen zu bezahlen. Wie ich das überlebte, weiß ich nicht. Jedenfalls verspätete ich mich nicht mehr.

Was das Essen betrifft, uns halfen die Polen sehr, die dort länger arbeiteten (aus Schlesien und der Umgebung von Poznań). Als sie erfuhren, dass wir nach dem Warschauer Aufstand verschleppt wurden, gaben sie uns so viel Essen, wie sie nur konnten. Bei uns war das Essen miserabel und unzureichend: nur 1 l Suppe täglich und ein Laib Brot pro Woche. Einmal stand der Kessel mit der Suppe auf dem Hof, ich schöpfte ein wenig daraus und fand drin eine tote Ratte.

Während der Freizeit ging ich, falls ich nicht schlief, zusammen mit meiner Freundin Danka Bernaś, die wie ich von der Familie getrennt wurde, zu unseren Bekannten aus Schlesien und Posen zum Essen. Meistens waren es Kartoffeln, Kohl und Brot. Wir stiegen nachts durch das Fenster hinaus, das später unsere Leidensgenossinnen (für die wir auch etwas mitbrachten) nur anlehnten, gingen durch den Wald zu der Hütte, in der die Polen wohnten, die bei einem Bauer arbeiteten. Eines Nachts flogen Flugzeuge, und es waren merkwürdige Geräusche zu hören. Erschrocken standen wir an einem kleinen Friedhof und sahen irgendwelche metallenen Bänder vom Himmel herabfallen. Die Jungs sagten uns, von Flugzeugen werden solche schmalen länglichen Streifen Metallfolie abgeworfen, um zu verhindern, daß die Deutschen die Höhe des Fluges feststellen und das Flugzeug abschießen. Auf dem Rückweg sammelten wir ein wenig von solchen Streifen auf, die uns als Schmuck für den Weihnachtsbaum dienen konnten.

Eines Nachts wurde die Fabrik bombardiert, aber in unserer Halle wurde nur das Dach abgerissen. So arbeiteten wir quasi draußen. Es war so kalt, dass die Hände an den Geschossen festfroren. Ich hatte Erfrierungen an den Händen, und an den Fingern bildeten sich eitrige Wunden. Ich ging also zur Ambulanz, der Arzt sah sich das an, schabte mir die Wunden ohne Betäubung aus, desinfizierte sie und schickte mich zur Arbeit zurück. Der Meister hatte Erbarmen und gab mir eine leichtere Arbeit, bis meine Hände heilten. Zu dieser Zeit bekamen wir zweimal täglich heißen Pfefferminztee.

War der Luftalarm am Tag, so mußten wir in die Lufschutzgräben, war er nachts, so ließ man uns in den Bunker ein (man befürchtete Sabotage). Die Deutschen gingen herunter (vier Stockwerke unter der Erde) und wir nach oben (zum vierten Stock). Eines Nachts dachte ich, wir seien verloren: der Bunker schwankte und man hörte Getöse. Aber die Altansässigen beruhigten uns: Das war keine Bombe, was der Bunker angeblich auch aushalten sollte, sondern die Flak, die oben, auf dem Dach des runden Bunkers platziert wurde.

Ende Dezember stellte man uns Bescheinigungen über die Arbeit in der Fabrik aus. Danka und ich lernten zufällig zwei Tschechen kennen, die vor dem Krieg von Zuhause davonliefen und sich in Europa herumtrieben, um ein wenig Abenteuer zu erleben. Der Krieg überraschte sie in Berlin. Sie hießen xxxxx und xxxxx, sie arbeiteten in einer Autowerkstatt als Mechaniker. Sie hatten Lebensmittelkarten, bekamen Pakete von ihren Familien. Uns ging es von dem Moment an viel besser: Wir hatten etwas zu essen. Zu Weihnachten gab man uns Mohrrüben statt Suppe, aber unsere tschechischen Bekannten holten uns zum Festessen ab. Sie kosteten die Mohrrüben und sagten, wir sollten sie wegwerfen, da sie ungenießbar seien. Wir stellten die Schüssel mit Mohrrüben in den Schrank, und sagten, wir werfen sie später weg, jetzt sei es schade um die Zeit. Bei den Tschechen gab es einen Weihnachtsbaum, Mohnkuchen und verschiedene andere schmackhafte Kuchen und Würste (sie bekamen Pakete von den Eltern aus Prag und Brünn). Wir aßen diese Spezialitäten im Bunker, da es Alarm und Bombardierung gab.

Die U-Bahn fuhr immer noch. Früher zwar im Minuten-Takt, später seltener. Nach dem Luftangriff mussten wir uns zwischen den Flüchtlingen durchdrängen, die abends in Panik mit dem Bettzeug zur U-Bahn flüchteten, aber endlich erreichten wir das Lager, wo wir unsere Mohrrüben aufaßen. Am nächsten Tag nahmen uns die Tschechen nach Berlin mit. Es gab keine Zäune mehr, die Trümmer von bombardierten Häusern verdecken sollten. Und sowieso gab es hier nicht so viele Trümmer wie in Warschau nach dem Aufstand. Die Läden, die unversehrt geblieben waren, hatten sogar schön gestaltete Schaufenster, obgleich alles nur gegen Zuteilungskarten zu bekommen war. Als die Tschechen uns vorschlugen, bei ihnen zu wohnen, brachen wir (nicht ohne es zu bedauern: das Essen) diese Bekanntschaft ab. Dazu waren wir einfach noch nicht bereit.

Ich fand die Adresse von xxxxx aus Poznań, die mir mein Vater noch in Warschau gab, da er zusammen mit diesem Mann arbeitete. Ich schrieb ihn an und bat ihn darum, dass er versucht, meine Eltern zu finden. Tatsächlich tat er das: sie waren irgendwo auf dem Lande bei Krakau. Er schickte ihnen meine Adresse, und vor Ostern 1945 bekam ich ein Paket: Brot, Knoblauch, Zwiebel. Ich weinte vor Freude, dass sie leben (von dem Bruder wusste ich immer noch nichts). Zu den Festtagen hatten wir ein tolles Essen.

Die Bombardierungen dauerten ständig an. Es waren nicht nur Spreng- sondern auch Brandbomben. Man hörte die schwere Artillerie. Danka und ich fuhren zu den Jungs ins Lager, um uns munterer zu fühlen. Zurückkehren konnten wir nicht mehr, da die sowjetischen Truppen sehr schnell anrückten. Auf dem Appellplatz erhängten die Jungs den Lagerführer, der angeblich sehr gemein war. Von einer Barkasse an der Spree holten sie einen Sack gelben feuchten Zuckers. Sie behaupteten, es sei Melasse. Wir waren sehr hungrig, seit drei Tagen hatte ich nichts im Magen. Nachdem ich eine Handvoll davon aufaß, wurde es mir schlecht. Einer der Jungs brachte einen alten Deutschen, der für ein Brot meinen goldenen Taufanhänger für die Taufe seiner Enkeltochter von mir kaufte, die wie ich Alexandra hieß, sowie auch den goldenen Ring mit dem Karneol, den ich von meinem Vater bekam, als hätte er geahnt, dass er mich vor dem Hunger retten könnte.
Als die Deutschen den Beschuss von der anderen Seite der Spree in Richtung sowjetischer Spähtruppen begannen, befürchteten wir, sie könnten dieses Ufer wiedererobern. Hätten sie den aufgehängten Lagerführer gesehen, so hätten sie uns bestimmt alle erschossen. Wir liefen davon. Sechs Jungs und wir gingen in Richtung Birkenwerder, um den polnischen Truppen zu begegnen. Zunächst fuhren wir mit erbeuteten Fahrrädern, bis die Russen sie uns wegnahmen. Die Häuser, an denen wir vorbeifuhren, waren verlassen, die Zivilbevölkerung war geflüchtet. Die Deutschen hatten panische Angst vor den Russen. Mit letzten Kräften gelangten wir nach Birkenwerder in unser Lager, in dem unterdessen polnische Truppen kampierten. Alle Betten und Strohsäcke warfen die Soldaten auf den Hof und verbrannten sie, da sie darauf wegen der fetten Flöhe (mit unserem Blut gut ernährt) nicht schlafen konnten. Sie fingen den Lagerführer und wollten ihn an einem Baum aufhängen. Im letzten Moment gelang es uns, ihn zu retten: Wir sagten, er war eine ganz menschliche Person.

Die Soldaten fütterten uns ein wenig, und nach einer kurzen Erholung brachen wir nach Polen auf. Nach einem abenteuerlichen Weg gelangten wir nach Kostrzyn, von wo aus alle paar Tage Züge fuhren. Die Jungs fuhren nach Schlesien und nach Poznań, Danka und ich nach Warschau. Zu allen verlor ich bald Kontakt.

An den Trümmerwänden der verbrannten Häuser hingen Zettel von den Familien, die nach ihren Angehörigen suchten. Ich fand dort auch meine Eltern. Sie waren bei meiner Tante in der Nähe von Łódź, wohin ich mit unterschiedlichen Militärwagen fuhr. Die Freude war grenzenlos.

Mein Haar wurde glatt abrasiert, so viele Läuse hatte ich. Mein Vater beantragte eine Wohnung in Warschau, Łódź und in Lipno. Am schnellsten kam die Antwort von der Stadtverwaltung in Lipno. So zogen wir dahin.

1946 kam mein Bruder aus einem Kriegsgefangenenlager in Hamburg zurück. Ich nahm eine Arbeit an und setzte die Ausbildung im Technikum für Ökonomie fort. 1948 heiratete ich, xxxxx.


Von der Zeit der Zwangsarbeit habe ich fast nur negative Erinnerungen. Positiv war nur das, dass ich lernte, mit anderen Menschen zusammenzuleben und den anderen selbstlos zu helfen. Ich füge Fotokopien von zwei Postkarten mit dem Blick auf das Restaurant in Birkenwerder, von meiner Arbeitsbescheinigung, der Krankschreibung und ein Foto bei. Das kleine wurde vor 10 Jahren gemacht, das in der Küche ist von diesem Jahr.

Ich freue mich darüber, dass endlich etwas von uns in die Geschichte eingeht, obgleich ich bezweifle, ob das für die Jüngeren interessant sein wird. Erschrocken bin ich nur darüber, dass die Neonazis wieder die Stimme erheben. Ich grüße alle, die sich mit der Geschichte befassen, wünsche Ihnen viel Gesundheit, Ausdauer und Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Xxxxx

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    Dokument in Kopie: Betriebsbescheinigung der ehemaligen Zwangsarbeiterin Aleksandra J. vom 18.12.1944; Firma Rheinmetall-Borsig Aktiengesellschaft (Werk Borsig Berlin-Tegel)

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    Dokument in Kopie: Arbeitsfähigkeitsbescheinigung der ehemaligen Zwangsarbeiterin Aleksandra J. vom 16.04.1945

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DZSW 1500
Kurzbeschreibung

Die Lebensmittelversorgung im Dezember 1944 war für die Zwangsarbeitenden in den Borsig-Werken sehr schlecht. Aleksandra J. machte zum Glück die Bekanntschaft mit Tschechen, mit denen sie 1944 ein schönes Weihnachten feiern konnte.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1927

Angaben zur Zwangsarbeit
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