Abschrift: Xxxxx


Łódź, den 21.1.1998

Betr.: Aufruf


Ich wurde am 27. Mai 1922 in Łódź geboren. Ich schloß die Grundschule ab. Als der Krieg ausbrach, war ich 17 Jahre und 4 Monate alt. 1940 wurde ich von dem Gemeindevorsteher an dem Ort, wo wir wohnten, zur Ausreise zur Zwangsarbeit gezwungen. Er drohte mir, im anderen Fall die ganze Familie deportieren zu lassen. Insgesamt fuhren etwa 100 Personen. In einer Sammelstelle in Berlin wurde eine Selektion durchgeführt. Die Mädchen schickte man zu den Bauern aufs Land, wir Männer wurden an Baustellen und Fabriken gewiesen. Ich landete auf einer Baustelle. Eine Vielzahl von Männern und ich wurden der Firma Hoch und Tiefbau AHAG mit dem Sitz in Berlin zugewiesen. Bis zum Ende des Krieges arbeitete ich an acht Stellen. Im Juni 1943 arbeitete ich in Wildau bei Königswusterhausen. Es war die Vorstadt von Berlin auf der Strecke nach Görlitz. Dort bauten wir ein Wohnlager mit Holzbaracken für die Betriebe Schwarzkopf und AEG. Diese Baracken bauten wir aus fertigen Elementen zusammen. In diesen Baracken wohnten dann die russischen Zivilisten, die man aus der Gegend von Moskau verschleppte und die in den beiden Betrieben beschäftigt wurden. Wir wohnten in gewöhnlichen Scheunen, in denen Zement und Kalk gelagert wurden.

In den ersten Wintertagen, als der Schnee fiel, hatte ich ihn auf meinem Bett auf der Decke, da ich oben schlief. Die Ernährung war schlecht und in geringen Mengen. Man brachte uns das Essen aus dem Betrieb AEG. Samstags und sonntags bekamen wir trockenen Proviant. Es arbeiteten dort 24 Polen und etwa 20 Deutsche. Man mißhandelte uns hier nicht, da es nur ältere Deutsche waren.
Ich erinnere mich ganz gut an die ersten Luftangriffe auf Berlin am hellichten Tage. Es wurden Bomben von 50 Kilo abgeworfen. Ein paar Baracken wurden beschädigt, aber es gab keine größeren Schäden. Wir arbeiteten 8 Stunden täglich, und wenn ein Transport mit Baustoff kam, dann länger. Die Sonntage und Feiertage waren meistens frei. Einmal im Monat wurde in der Kirche in Königswusterhausen die heilige Messe auf Polnisch gehalten und wir konnten dahin mit der Bahn fahren.

Dort arbeitete ich bis 1944, ich weiß nicht mehr, bis zu welchem Monat, da die Dokumente meiner Arbeit vom Juni 1943 bis zum Kriegsende nicht gefunden wurden. 1944 wurden wir nach Bayern gebracht, wo wir im Brennstofflager eines Militärflugplatzes arbeiteten. An den Namen des Ortes kann ich mich nicht mehr erinnern. Wir wohnten 2 Kilometer von diesem Ort entfernt im Dorf Sinniny, Kreis Ingolstadt an der Donau, in einem Restaurantsaal. An diesen beiden Orten behandelte man uns ziemlich gut. Zuvor hatte ich es viel schlechter.
Verzeihen Sie bitte meine unschöne Handschrift, aber ich hatte eine Augenoperation, so daß ich auf einem Auge schlecht sehe, und das andere ist auch schwach, da ich Glaukom habe.

Ich grüße Sie herzlich
xxxxx

Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

  • 1 von 2 Seiten
  • 2 von 2 Seiten
DZSW 1462
Kurzbeschreibung

Nach seiner Deportation 1940 arbeitete Antoni G. an acht verschiedenen Stellen für unterschiedliche Arbeitgeber. Er war in der Baubranche tätig und baute Barackenlager für Zwangsarbeiter.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1922

 

Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt