Abschrift: Xxxx

Nach dem Erhalt Ihres Schreibens versuche ich, meine Erlebnisse zu schildern. Ich war ein Einzelkind. Vor dem Krieg ging es meinen Eltern nicht schlecht. Sie waren sehr fürsorglich mir gegenüber, da sie keine Kinder mehr haben konnten. Und auf einmal brach der Krieg aus. Sie beschützten mich, soweit sie konnten, damit man mich nicht nach Deutschland verschleppte, aber es gelang ihnen leider nicht. Und so wurde ich, nach der dritten Vorladung, beim Arbeitsamt festgehalten und zunächst zum Arrest, dann aber in die Kopernik-Straße in Łódź gebracht. Wir saßen dort eine oder zwei Wochen, ich weiß nicht mehr. Die Bedingungen waren schrecklich. In einer riesengroßen Fabrikhalle schliefen alle auf dem dreckigen Fußboden. Zum Glück bekam ich von einer Frau, die dort schon länger war, einen Papierbogen. Das war mein ganzes Schlaflager, da ich festgenommen wurde, so wie ich stand.

Als sich genug Menschen für einen Transport ansammelten, wurden wir unter Bewachung vom Militär oder Gendarmen zum Bad geführt, und von dort zum Zug. Und ab in die Welt. Bevor wir in Berlin angelangten, mussten wir unterwegs noch umsteigen, unsere Kleider wurden desinfiziert. Schließlich landeten wir in der Technischen Fabrik Dr. Klaus Gettward. Dort gab es wieder eine Selektion. Die Meister von verschiedenen Stockwerken suchten sich jeder einige Arbeiterinnen aus. So begann ich an einer Maschine zu lernen und zu arbeiten, die metallene Ringe ausschnitt. Höchstwahrscheinlich waren es Teile für Kriegsschiffe, aber niemand sagte uns das.

Wir arbeiteten acht Stunden täglich, wohnten in einer alten renovierten Fabrikhalle. Dort standen Pritschen, wir hatten jede eine Decke und einen Kissen. Es gab auch ein Waschbecken für alle. Es war in der Waldstraße 21, Bezirk Reinickendorf. So war es ein Jahr lang. Nach einem Jahr bekam ich Urlaub, auch ein paar von meinen Kolleginnen. Als ich im Urlaub war, wurde der Bezirk bombardiert, eine meiner Kolleginnen wurde verwundet, litt unter Gedächtnisschwund, und man schickte sie nach Hause zurück. Und unsere Halle wurde instand gesetzt, so dass wir dort bis zum Frühjahr blieben. Im Frühjahr wurde unsere ganze Fabrik nach Klausdorf verlagert. Die Maschinen wurden dort in einer alten Ziegelei aufgestellt. Wir bekamen eine neu erbaute Baracke. Alles wäre gut, wären die Wanzen nicht da. Das war nicht auszuhalten. Man machte Desinfektion, aber sie half nicht. Dazu noch Alarme und der Bunker. Auf diese Weise überlebten wir bis zum Kriegsende. Eine Angst war, dass uns die Deutschen am Ende des Krieges erschießen. Zweitens hatten wir Angst, dass uns die Russen vergewaltigen und anstecken konnten.

Klausdorf verließ ich zusammen mit meiner Kollegin, ihrem Mann und deren Baby, das zwei Wochen alt war. Wir fuhren mit einem Pferdewagen, zwei Wochen lang. Ich gelangte glücklicherweise nach Hause. Unterwegs nahmen uns die Russen unsere Dokumente weg, da sie meinten, sie wüssten nicht, mit wem sie es zu tun hatten.

Ich, xxxx wurde am 14. Februar 1926 geboren. Ich habe Grundschulausbildung, heiratete im November 1945.

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Ich habe keine Dokumente aus Deutschland, dafür aber ein paar Privatfotos, ohne den Buchstaben „P“. Diese schicke ich Ihnen. Was die Entlohnung betrifft: Unser erster Lohn betrug - nach Abzug aller Kosten für unseren Transport, Verpflegung und alle Dienstleistungen - zwei Mark. Wir wollten ihn nicht entgegennehmen, aber man machte uns Angst, es sei Sabotage, und letztendlich nahmen wir ihn. In den nächsten Monaten bekam ich (andere hatten vielleicht andere Löhne) nach dem Abziehen der Verpflegungs- und Unterkunftskosten etwa 15-17 Mark.


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Das Gruppenfoto, das ich Ihnen schicke, wurde auf dem Lagerhof aufgenommen, zusammen mit unserem Wachmann in der Mitte. Ich bin die erste von links, dort, wo der Pfeil steht. Auf dem zweiten, großen Foto bin ich mit einer Frau und meiner Kollegin zu sehen. Das Foto machte der Mann dieser Frau. Es waren Deutsche. Ich bin da wieder ohne den Buchstaben „P“. Dieses Paar lud mich und meine Kollegin in den ZOO ein. Diese Frau trägt einen Hut, ich stehe in der Mitte, links meine Kollegin. Das kleine Bild, auf dem ich in der weißen Bluse bin, wurde bei diesen Menschen zu Hause gemacht. Ich füge auch mein Foto aus dem Jahr 1989 bei. (...)

Die Deutschen, mit denen ich zusammen arbeitete, waren uns gegenüber nicht feindlich eingestellt. Wir unterhielten uns mit ihnen, wie wir konnten. Anfangs war das schwer, später ging es. Diese Frau, die uns eingeladen hat, arbeitete in derselben Halle wie wir.

Nach Deutschland wurde ich am 15. November 1942 verschleppt und blieb dort bis zum Ende des Krieges 1945. Nun schließe ich. Ich grüße Sie ganz herzlich und wünsche ein glückliches Neues Jahr.

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Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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DZSW 1423
Kurzbeschreibung

Zofia J. beschreibt ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse, als sie Zwangsarbeit in einer Rüstungsfabrik in Berlin leistete. Sie war in der Produktion von Metallteilen für Kriegsschiffe eingesetzt.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1926

 

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Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

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