Abschrift: Xxxxx

Sehr geehrte Frau Wenzel,

mit großer Aufmerksamkeit las ich Ihr Schreiben, in dem Sie aufrufen, Ihnen die Erinnerungen aus der Zeit des 2. Weltkrieges zukommen zu lassen. Es freut mich, dass Sie sich auch für das Leben der Familie vor und nach dem Krieg interessieren. Im meinem Fall hat das eine besondere Bedeutung, denn Sie werden besser begreifen können, wie unschuldig und hilflos die Einzelnen waren, die in den Unsinn der Kriegsverbrechen hineingezogen wurden.

Ich wurde am 1. Februar 1929 im Dorf Grodzisko, Gemeinde Rzgów, Wojewodschaft Łódź, als xxxxx geboren. Meine Eltern stammten aus demselben Dorf. Die Eltern und Brüder von meinem Vater hatten eine Schmiede, und die Eltern von meiner Mutter eine Landwirtschaft mit 6 Hektar Boden.

(Er beschreibt detailliert die Tätigkeit seiner Familie im Untergrund als Verbindungsstelle zwischen dem Generalgouvernement und den angegliederten Gebieten; die Repressionen, denen sie ausgesetzt wurden. Eines Tages fuhr er im Auftrag seines Vaters als Kurier nach Łódź, wo er bei einer Straßenrazzia gefangen wurde. - Anm. d. Ü.)

Als alle Straßenbahnwaggons mit Menschen gefüllt waren, brachte man uns unter Bewachung der Gestapo ins Gefängnis in der Kopernik-Straße. Nach einigen Verhören brachte man mich in ein altes Fabrikgebäude, das zum Gefängnis gehörte. Nach drei Wochen stellte man etwa 600 Gefangene zu einer Kolonne auf, und unter Bewachung von Gendarmen mit Hunden führte man uns zu einem Nebengleis an der Bahnstation Łódź-Kaliska. Gegen Morgen setzte sich der Zug in Bewegung und fuhr in unbekannte Richtung. Nach zwei Tagen Fahrt gelangten wir in ein Übergangslager in Frankfurt an der Oder. Nach vier Wochen wurde ich nach Wildau bei Berlin gebracht, wo es ein Arbeitslager gab, das in mehrere Unterlager geteilt war. Ich wurde im Lager A untergebracht, von wo aus uns täglich eine Eskorte von Gendarmen zur Arbeit in den Betrieben von Schwarzkopf führte. Das Lager A lag auf einem Hang westlich von dem Betrieb, war im Rechteck aufgebaut und umzäunt mit einem doppelten Zaun, der 3 Meter hoch war. Dazwischen lagen Rollen aus Stacheldraht. An allen Ecken standen Wachtürme mit bewaffneten Wachmännern. Ins Lager ging man durch ein Tor, an dessen beiden Seiten Wachhäuschen mit bewaffneten Posten standen. Mitten durch das Lager lief eine breite Straße, die zugleich als Appellplatz diente. Vom Eingang her gesehen stand auf der rechten Straßenseite der Block, in dem der Lagerführer und die ganze Lagerbelegschaft wohnten, dann das Lebensmittellager, die Küche mit der Kantine, das Bad mit der Anlage zur Kleiderdämpfung und eine Baracke für verschiedene Tätigkeiten. Auf der linken Seite standen die Baracken in vier Reihen mit je drei Baracken. In einer Baracke gab es drei Stuben, in jeder Stube standen auf beiden Seiten insgesamt 16 Etagenpritschen. Darüber hinaus gab es in den Stuben jeweils zwei Tische, vier Bänke und einen Blechofen. Jedem stand die Hälfte eines Spindes zur Verfügung. Auf der Pritsche lagen ein Strohsack und die Kopfstütze, mit Stroh ausgestopft, ein Laken und eine dürftige Decke. Eine zweite bekamen wir für die Winterzeit. Die Baracken waren von primitiver Konstruktion, aus Holz gebaut, beschlagen mit ungehobelten Brettern, ohne Isolierung. Hinter den Baracken befanden sich unterirdische Luftschutzbunker.

Die Verpflegung und medizinische Versorgung waren wie im schlimmsten Gefängnis. Jeder Gefangene musste den Buchstaben „P“ angenäht haben und bekam eine Registriernummer. Auf diese Nummer bekam er die wöchentliche Essenkarte. Diese Karte hatte Abschnitte für jeden Tag. Die tägliche Essenration war wie folgend: Morgens bekamen wir einen halben Becher halbsüßen Malzkaffees und Pfefferminztee zum Trinken, den letzteren je nach Bedarf. Das Mittagessen bestand aus einer Schüssel Suppe aus Steckrüben, roten Rüben oder Kohl, und einmal in der Woche aus gemahlenem Getreide. Zum Abendbrot gab es die Zuteilung von einer Schüssel mit den oben erwähnten Zutaten, fünf gedämpfte Pellkartoffeln, eine Scheibe Schwarzbrot (250 Gramm) und ein Stückchen (50 Gramm) Margarine oder Marmelade. Das Brot und die anderen Produkte sollte man sich für den ganzen nächsten Tag einteilen. Die medizinische Betreuung beschränkte sich darauf, daß der Kranke, der Fieber über 38 Grad hatte, erst auf dem nächsten Morgenappell von dem Barackenältesten zum Arzt angemeldet werden konnte. Der Lagerarzt war ein Militär. Hatte der Kranke hohes Fieber, so blieb er nicht länger als drei Tage in der Krankenstube. Alle anderen wurden gleich zur Arbeit geschickt.

Das religiöse Leben wurde durch die Lagerordnung verboten, für gemeinsame Gebete drohte Dunkelhaft. Kontakte mit der Familie wurden in der Lagerordnung vorgesehen: Es war erlaubt, einmal im Monat einen Brief zu schreiben, und alle drei Monate ein Paket (5 Kilo) zu empfangen; es war aber nicht genau vorgeschrieben, wieviel Lebensmittel und wieviel Kleider das Paket beinhalten durfte.

Was den Betrieb und die Art der Arbeit betrifft, sah es so aus: Der Betrieb von Schwarzkopf gehörte zur Rüstungsindustrie. Er produzierte von der kleinsten Schraube bis zum Endprodukt die Lokomotive T 54, Torpedos für U-Boote und Ersatzteile für andere Waffen.

Wir arbeiteten in zwei Schichten, je 12 Stunden. Die Arbeitsorganisation war so, dass die Hälfte der Stube, d.h. 16 Personen in der Tagschicht und die zweite Hälfte in der Nachtschicht arbeiteten. Diese Arbeitsteilung galt für das ganze Lager. Das Lagerleben begann mit dem Wecken um 5 Uhr früh, dann gab es um 5.30 Uhr den Appell auf dem Appellplatz, alle wurden genau gezählt. Unter Bewachung der Wachmänner wurden wir zu einem bestimmten Platz auf dem Fabrikgelände geführt. Von dort holten uns die Deutschen in die einzelnen Abteilungen ab. Nach der Arbeit wurden wir an genau dieselbe Stelle geführt, und nach dem Abzählen führten uns die Wachmänner ins Lager zurück. Am Eingang prüften selbstverständlich die Wachen die Zahl der Ankommenden.

Bevor wir in den Betrieb eingewiesen wurden, wurden alle über unsere Fähigkeiten befragt. Ich als fast 14jähriger Junge hatte keinen Beruf, also arbeitete ich anfangs zusammen mit Gleichaltrigen im Werkzeuglager. Ein deutscher Vorarbeiter beaufsichtigte uns und teilte uns die Arbeit zu. Im Frühjahr 1943 wurden etwa 60 junge Arbeiter, unter anderen auch ich, ausgewählt und einer dreimonatigen Schulung unter der Aufsicht des technischen Personals unterzogen. Diese Schulung umfaßte Schmiedearbeit, Schweißen, Klempnerei und Metallbearbeitung. Nach der Beendigung dieser Schulung entschieden die Deutschen, die uns ausbildeten, zu welchem Beruf wir uns eignen. Ich bekam Arbeit als Dreher und arbeitete unter Aufsicht des Meisters an der Drehbank bis zum 20. November 1944.

Was die deutsche Bevölkerung betrifft, so hatten wir in der ersten Zeit kaum Berührungspunkte, denn durch das Lagerregime waren wir praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Die Lagerbelegschaft betrachtete uns mit Verachtung, und für den geringsten Verstoß gegen die Lagerordnung wurden wir geschlagen und mit Dunkelhaft bestraft. Unterdessen waren die Deutschen, denen wir im Betrieb unterstanden, mißtrauisch und boshaft. Begingen wir einen Fehler bei der Arbeit, so flogen uns Beschimpfungen in der Art „Du polnischer Bandit!“ oder „Du polnisches Schwein!“ entgegen. Ältere Deutsche waren menschlicher und sagten uns, ihnen wurden jegliche Kontakte mit uns verboten. Eine grundsätzliche Veränderung zum Besseren für uns erfolgte im Frühjahr 1944. Zu dieser Zeit wurden viele junge Deutsche und die im mittleren Alter eingezogen, die bis dahin durch den Betrieb vom Kriegsdienst befreit waren. Auch die starken Luftangriffe der Alliierten auf Berlin, die Tag und Nacht erfolgten, waren der Grund dafür, daß die deutschen Zivilisten, die zusammen mit uns arbeiteten, uns erzählten, sie hätten das Haus und ihre Nächsten verloren, oder daß der Sohn an der Front gefallen sei.
Zu dieser Zeit wurden die Schichtmeister dazu bevollmächtigt, uns Passierscheine in die Stadt auszugeben, um uns zur Arbeit besser zu motivieren. Damit konnten wir das Arbeitslager verlassen. Erst dann lernten wir die Stadt Berlin und ihre Umgebung kennen. Das war insofern möglich, da außer der Eisenbahn die schnelle S-Bahn verkehrte, und von der Station Wildau fuhr man bis zum Alexanderplatz 30 Minuten. Im Juni wurde die ganze Lagerbelegschaft einschließlich der Lagerführer ausgetauscht. Die neuen Gendarmen, meistens über 60, behandelten uns völlig anders. Aber damals wußten wir schon, daß in ein paar Monaten das Ende des Krieges kommt. Ich wußte aber nicht, daß ich das Schlimmste noch vor mir habe: die Monate vor der Befreiung.

Am 20. November 1944 führten die Amerikaner nach mehrmals wiederholter Warnung die Bombardierung des Betriebes durch. Als wir nach der Entwarnung die Luftschutzbunker verließen, sahen wir das ganze Ausmaß der Zerstörung. Der Betrieb hörte auf zu arbeiten. Nach dem Löschen der Brände und dem Enttrümmern, das ein paar Tage dauerte, nahmen nur einige Abteilungen die Produktion wieder auf. Angesichts dieser Lage kamen Vertreter der Wehrmacht in die Fabrik und holten aus unserem Lager etwa 300 Personen ab, die Befestigungen in den Vororten Berlins bauen sollten. Ich war unter ihnen.

Zunächst bauten wir Schützengräben und Panzersperren, und untergebracht wurden wir auf den Gehöften. Anfang Januar 1945 gelangten wir nach Seelow, wo wir im Stadtzentrum in einer Gemeindekirche untergebracht wurden. Von dort führte man uns täglich um 6 Uhr früh in Kolonnen mit je Einhundert Menschen unter Wehrmachtsbewachung in Richtung Osten. Dort bauten wir Schützen- und Verbindungsgräben. Im Februar wurde der Kirchturm angesichts des sowjetischen Artilleriebeschusses gesprengt, und wir wurden im einstigen Kinogebäude untergebracht. Im März erlebten wir tagtäglich die Hölle, da wir in der unmittelbaren Nähe der Front arbeiteten, und die Russen beschossen entweder mit der Artillerie oder aus den Flugzeugen alles, was sich bewegte. Fast keine Militärküche war imstande, das Essen für das Militär zu liefern. So wurden einige von uns eingesetzt und holten in 20 Liter - Isolierbehältern das Essen für die Soldaten. Infolge der sowjetischen Offensive gelangten wir am 27. oder 28. April, zusammen mit den Truppen im Rückzug und unserer Bewachung in die südliche Vorstadt Berlins. Dort wurden wir auf dem Hof eines großen Wohnhauses gehalten und man befahl uns, alle Dokumente, sogar die Abzeichen mit dem Buchstaben „P“, Briefe und Fotos abzugeben. Als wir alles abgegeben haben und die Bewachung feststellte, daß wir nichts mehr bei uns haben, warfen sie alles zu einem Haufen und steckten es in Brand. Wir wurden zu einem Luftschutzbunker geführt, der sich unter einem vierstöckigen Wohnhaus befand. Zusammen mit uns waren unsere Bewachung und viele Wehrmachtssoldaten. Einige Deutsche baten uns, ihnen Zivilkleidung zu geben.

Am 30. April sahen wir durch einen Spalt die einmarschierenden sowjetischen Soldaten. Unter uns fanden sich einige, die Russisch konnten. Zugleich hissten wir einen weißen Lappen. Dann liefen einige sowjetische Soldaten auf uns zu und befahlen uns, einzeln mit den hochgehobenen Händen auszugehen. Unsere Dolmetscher sagten, wir seien etwa 300 Leute.

Einer der Offiziere stellte einen besonderen Zug zusammen und befahl auf Russisch, Polen und andere Gefangene sollen sich auf der rechten Seite und die Deutschen auf der linken aufstellen. Als alle den Bunker verließen, erschossen sie vor unseren Augen die Deutschen, uns befahlen sie, unsere Bündel mitzunehmen, uns in eine Kolonne aufzustellen, und unter Bewachung des Militärzuges wurden wir Richtung Osten geführt. Wir marschierten ganz schnell, denn nach ein paar Kilometer forcierten Marsches wußten wir, daß man uns Richtung Seelow führt. Nach ein paar Stunden gelangten wir zu der Militärkommandantur. Dort wurden wir alle, und es waren etwa 400 Leute, einzeln von den NKWD-Offizieren verhört. Ich musste detailliert berichten, wie ich nach Deutschland gelangte. Es waren sehr detaillierte Fragen, weil wir - wie man uns sagte - keine glaubwürdige Dokumente hatten, und unter uns hätten auch Deutsche sein können. Nach dem Verhör ging jeder auf einen anderen Platz. Als alle verhört wurden und eine Namensliste angefertigt worden war, erlaubte man uns, unsere zurückgelassenen Sachen mitzunehmen. Es stellte sich heraus, daß uns zum ersten Mal viele persönliche Sachen gestohlen wurden. Unser Dolmetscher forderte von dem Offizier, daß die Soldaten uns die abgenommenen Sachen zurückgeben sollten. Daraufhin sagte er, wir sollen auf diejenigen zeigen, die das gemacht haben, und sie werden bestraft. Also war unsere Intervention wirkungslos. Wir baten auch die sowjetischen Behörden, uns irgendwelche Beförderungsmöglichkeiten (mit der Eisenbahn oder mit Autos) zu gewähren, da wir alle ausgemergelt und erschöpft waren. Der Militärkommandant sagte, daß unweit von hier, hinter der Oder schon Polen sei und wir dort alles bekommen, was wir brauchen.

Am nächsten Tag bekam jeder von uns ein Pfund Militärbrot und 50 Gramm Zucker. Dann stellte man anhand der Liste die Kolonne zusammen, und unter derselben Bewachung marschierten wir Richtung Polen los. Nach drei Tagen Marsch gelangten wir nach Gorzów (Landsberg an der Warthe - Anm. d. Ü.) Dort baten wir die sowjetischen Soldaten, uns den Kontakt mit den polnischen Behörden zu ermöglichen. Es stellte sich heraus, in Gorzów regierte der Kommandant einer sowjetischen Garnison. Wir legten dem Herrn Kommandanten unsere Bitte um den Transport und die Verpflegung vor und bekamen zum zweiten Mal ein Pfund Brot und 50 Gramm Zucker. Man versprach uns, einen Zug bereitzustellen, wenn wir in die Güterwaggons verschiedene Einrichtungen und Gegenstände laden, die am Bahnhof standen. Als wir diese Arbeit ausgeführt hatten, wurde für uns jedoch kein Zug bereitgestellt. Man erklärte uns, das Militär hat jetzt den Vorrang, was die Bahntransporte betrifft. Der Führer des uns eskortierenden Zuges befahl uns, wieder eine Kolonne zu formieren und uns in Marsch zu setzen. Am 8. Mai gelangten wir nach Poznań. In Poznań stiegen wir, wieder anhand der Liste, in den Zug Poznań-Łódź ein. In Łódź kam ich am 9.Mai 1945 an.

Sehr geehrte Frau Wenzel, meine Lagererlebnisse beschrieb ich in aller Kürze. Ich berichtete nicht von dem dort herrschenden Hunger, von dem Ungeziefer, das uns Tag und Nacht stach, da es schlimme sanitäre Bedingungen gab, auch nicht von den Bombardierungen, die nachts- und tagsüber erfolgten, während wir in den Bunkern saßen und um das Überleben beteten.

Sie baten, auch das Schicksal der übrigen Familie während des Krieges und die Lebenslage nach dem Kriege darzustellen. In aller Kürze will ich also darüber erzählen, was während meines Lageraufenthaltes geschah. Ein paar Monate nach meiner Festnahme im Jahre 1943, wurden mein Vater und meine Schwester verhaftet. Nach der Haft in Łódź wurden auch sie nach Deutschland verschleppt. ... Sie wurden von den Briten befreit. Mein Vater kehrte 1946 heim, er war krank, und 1953 starb er. ... (Er beschreibt Repressionen und Beschlagnahmungen, die der Familie widerfuhren, erwähnt diejenigen, die umgekommen oder verwundet waren. - Anm. d. Ü.) Mein Onkel Krzemiński, der den ganzen Krieg lang als AK-Mitglied (AK- Heimatarmee, die legale polnische Armee im Untergrund - Anm. d. Ü.) gegen die Deutschen kämpfte, kehrte am 19. Januar 1945 heim, und ein paar Stunden später wurde vom NKWD verhaftet und nach Kamtschatka verschleppt. Nach 12 Jahren wurde er entlassen und starb fünf Monate nach der Rückkehr.

So war der Stand der Dinge, als ich am 9. Mai 1945 heimkehrte. Zunächst gab es große Freude über meine Rückkehr, denn es gab Gerüchte, ich sei während der Bombardierung Berlins umgekommen, was die seit November 1944 ausbleibenden Briefe von mir zu bestätigen schienen. Andererseits kamen gleich andere Probleme zum Vorschein: Wie wir zusammen leben werden, da die Familie des Vaters, die ihr Haus verloren hatte, bei uns eingezogen war. Die Brüder meines Vater beschlossen, ich soll einen Beruf lernen. Aber ich bat sie, die Grundschule beenden zu dürfen, womit sie einverstanden waren. Ich zählte darauf, daß mein Vater und meine Schwester unterdessen heimkehren und mein Schicksal anders verlaufen wird. Es kam aber anders. Nachdem ich die Grundschule abgeschlossen hatte, schickten mich meine Onkel zur Lehre in eine Metzgerei in Łódź und begründeten ihren Entschluß damit, daß sie für mich solchen Beruf gewählt haben, um mich niemals im Leben hungern zu lassen. Als mein Vater heimkehrte, war ich schon drei Monate in der Lehre und ging auf die Handelsschule. ... (Er berichtet über die Weiterbildung, Arbeit, seinen Gesundheitszustand und die Krankheiten; er wurde als Behinderter der zweiten Behinderungsgruppe eingestuft. - Anm. d. Ü.)

Abgesehen von meinem Gesundheitszustand bin ich heute glücklich, habe eine gute Ehefrau xxxxx

Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass ich mir Mühe gab, all das, was ich innerhalb von fast 70 Jahren meines Lebens erfuhr, wahrheitsgemäß zu schildern. Andererseits sind bald 60 Jahre seit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges vergangen und manche Ereignisse werden im menschlichen Gedächtnis verschwommen oder gar entstellt. Meine Schwierigkeiten waren umso größer, da alle Familiendokumente, wie bereits erwähnt, vernichtet wurden. Ich brachte aus Deutschland nur ein Foto mit, das mir ein Kollege in den letzten Kriegstagen schenkte. Dieses und auch mein aktuelles Bild füge ich bei.

Ich wünsche Ihnen, verehrte Frau Wenzel, daß Sie möglichst viele Berichte und Erinnerungen aus der tragischen Vergangenheit erhalten, damit sie der jungen Generation helfen könnten, besser zu begreifen, was für schreckliche Folgen für die Einzelnen und für ganze Nationen jeder Krieg hat.

Hochachtungsvoll
xxxxx


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DZSW 1460
Kurzbeschreibung

Zenobiusz G. arbeitete für die Firma Schwarzkopf, die heute für die Kosmetikproduktion bekannt ist. Damals war es eine Rüstungsfabrik, in der Teile für Torpedos und U-Boote hergestellt wurden.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1929

 

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Angaben zur Zwangsarbeit

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