Abschrift:
Bericht

von meiner Deportation nach Deutschland während
des Krieges 1939-1945, zwecks Germanisierung

Vor und zu Anfang des Krieges wohnte ich zusammen mit meinen Eltern und meiner Zwillingsschwester Aldona-Alina am selben Ort wie heute. Meine Eltern arbeiteten als Arbeiter in einer Textilfabrik. Mein Vater wurde nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt. Mein Bruder wurde infolge einer Denunziation verhaftet und in der Kopernik-Straße in Łódź festgehalten.
Im Februar 1942, als wir alleine - nur Aldona, ich und die Mutter - zu Hause waren, klopften eines Nachts zwei uniformierte Deutsche ans Fenster; sie kamen in die Wohnung herein mit der Absicht, meine Schwester Aldona abzuholen. Da meine Schwester damals eine schwere Lungenentzündung hatte, sagten sie, sie nehmen mich mit. Weil wir Zwillinge waren, sollte ich als meine Schwester Aldona (und diesen Vornamen meiner Schwester behielt ich die ganze Zeit in Deutschland) fungieren. Meine Mutter flehte sie an, mich nicht mitzunehmen, aber das nutzte nichts.

Sie brachten mich zur Polizeistelle an der Ecke der Łagiewnicka und Biegański-Straße. In derselben Nacht brachten sie noch ein paar Mädchen dorthin. Am nächsten Tag fuhren sie uns mit einem Lastwagen in die Sporna-Straße. Dort gab es bereits sehr viele Kinder, Mädchen und Jungen, sowie ausgesiedelte Familien mit Kleinkindern. Ich wurde in einem länglichen Saal untergebracht, wo wir zum Schlafen nur Stroh und Decken hatten; es gab dort auch Pritschen. Zusammen waren wir dort zig Mädchen. Das Gebäude, das früher und auch heute dem Benediktinerkloster gehört, war mit einem hölzernen Zaun umgeben, bewacht von den SS-Männern.

Im ersten Stock gab es Büroräume, und dort führte man verschiedene detaillierte Messungen, Aufnahmen und die Selektion durch. Wir warteten nackt im Korridor. Eines Tages führte man uns durch die Stadt in die Gegend von der Tramwajowa-Straße hin. Dort nahm man Blut ab und führte tiefe gynäkologische Untersuchungen durch.

Nach etwa zwei Wochen weckte man uns in der Nacht und wir marschierten in eigenen Kleidern zum Bahnhof Łoódź-Kaliska. (Zuvor ließ meine Schwester wärmere Kleider beim Pförtner für mich.) Über Berlin fuhren wir nach Hamburg-Altona, wo man uns in irgendeinem Heim unterbrachte. Am Morgen kamen die Deutschen. Mich holte ein hagerer, großer Mann mit Kahlkopf ab, wie sich herausstellte - Herr xxxx Ich war die erste, die abgeholt wurde. Er nahm mich mit und hatte ein kleines Wörterbuch bei sich. Wir fuhren mit der U-Bahn. Die anderen Mädchen sah ich nie wieder. Einer von ihnen, die zusammen mit mir in der Sporna-Straße war, begegnete ich zufällig nach dem Krieg in Łódź.

Als wir zu Hause angetroffen waren, betrachteten mich alle, und sie nahmen mich mit Anerkennung auf:
xxxx
Es gab dort mehr als ein Dutzend Zimmer, ein Kabinett, ein Empfangszimmer, zwei Badezimmer, Toilette, Zentralheizung, einen Keller und einen riesengroßen Garten mit Terrassen. Mir wurden die schweren Pflichten einer Dienstkraft für alles auferlegt: Saubermachen, Waschen und Bedienen. Ich wurde mit dieser Arbeit nicht fertig. xxxx war eine böse und gemeine Frau. Sie wiederholte oft, ich soll ein deutsches Mädchen werden und muß wie deutsche Mädchen arbeiten lernen.

Im Haus gab es zwei Waschmaschinen: eine elektrische und eine mit Gasantrieb, aber Frau Möller ließ sie mich nicht benutzen, aufgrund des notwendigen Sparens von Strom und Gas. Die ganze Wäsche von dieser großen Familie hatte ich also mit den Händen zu machen, so daß ich mir die Hände aufrieb und Wunden auf den Unterarmen bekam.

Einmal prüfte xxxx detailliert, wie ich saubermache. Sie fragte mich, ob ich den Boden unter den Heizkörpern abwischte. Ich sagte ja (aber ich fegte nur den Staub mit einem Handfeger). Frau Möller kniete nieder und wischte den Boden mit einem Lappen ab, auf dem ein bißchen Staub blieb. Sie schlug mich ins Gesicht, so daß es mir aus der Nase blutete. Ich schrie sie an: "Auf euch sollen so viele Bomben fallen, wieviel Blut mir aus der Nase lief!", und ich bekam noch einen Schlag ins Gesicht.

Keinen Sonntag hatte ich frei. Nur zwei Mal, glaube ich, nahm mich Friedhilde mit ins Kino. Sie war nett zu mir, wie auch der jüngste Udo und im Gegenteil zu Siegland, die eine Hitler-Anhängerin war und sich vornahm, mich zu quälen. Ich hatte keine Papiere. Über sie verfügte Herr Möller. Ich bekam auch keinen Lohn, denn ich war doch ein ,,Familienmitglied".

1942 besuchte mich einmal überraschend mein Vater, an den ich schrieb und der in Oldenburg als Zwangsarbeiter war. Er gab mir Hinweise, wie ich die Wäsche waschen soll, ohne Wunden zu bekommen. Er wurde als ein "anständiger Mensch" betrachtet und vor seiner Abreise bekam er eine Flasche Wein. Man bewirtete ihn nur in der Küche und zeigte ihm das Parterre.

Ein einziges Mal fuhr Friedhilde mit mir nach Łódź zu meiner Mutter und wir blieben dort fast zwei Wochen. Sie wohnte in einem Hotel. Auf dem Foto bin ich mit meiner xxxx. Dieses Foto wurde hier in Łódź gemacht.

xxxx war der Besitzer zweier Fabriken in Hamburg und hatte auch eine Plantage in Afrika. Er war für mich kein böser Mensch. Als die Frau schlafen ging, nahm er mich in die Küche mit, damit ich Kartoffelpuffer backe, und dann bekam ich auch einen. Gewöhnlich aß ich zusammen mit ihnen am Tisch.

Da ich doch diese tierische Arbeit nicht länger aushalten konnte, entschloss ich mich 1943, nach Polen zu fliehen. Ich wurde aber gleich am Hamburger Bahnhof erwischt. Drei Monate lang verbrachte ich im Gefängnis, zusammen mit deutschen Frauen. Dort gab es Prostituierte, aber auch eine Ehefrau von einem Musiker, die mit ihrem Mann nach Holland fahren wollte. Ihr Mann äußerste sich einmal, die Deutschen würden den Krieg nicht gewinnen. Jemand denunzierte ihn bei der Gestapo. Der Mann wurde erschossen und sie bekam 15 Jahre Zuchthaus und wurde ins Konzentrationslager gebracht.

Ein Gestapo-Mann brachte mich vom Gefängnis nach Hause. Seit dieser Zeit wurde es seitens xxxx noch schlimmer. Ich aß getrennt, in der Küche, hatte keinen einzigen Sonntag frei. Trotzdem blieb xxxx nett zu mir, auch ihr behinderter xxxx. Später wurden wir evakuiert und hielten uns auf dem Lande auf. Schließlich kehrte ich nach dem Krieg glücklicherweise zu meiner Mutter und Schwester zurück.

Nach dem Krieg bekam ich herzliche Briefe von xxxx auch aus Afrika. xxxx unterzeichnete die Briefe immer mit "Deine deutsche Mutter". xxxx ist, glaube ich, immer noch in Afrika. Sie schrieben mir, ich sollte ihnen Bescheid geben, dann würden sie mir schicken, was ich will. Sie liefen mir eine Strickmaschine zukommen, aber sie war mir zu nicht nutze.

Nach dem Krieg heiratete ich einen Mann, dessen Familie als Großgrundbesitzer galten, so daß er in unserem Nachkriegssystem ständig beobachtet wurde und solche Kontakte verdächtigt sein konnten. Also unterbrachen wir ungefähr 1970 die Korrespondenz.

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DZSW 1387
Kurzbeschreibung

Laut rassenideologischen Untersuchungen eignete sich Joleta G. für den Einsatz als Dienstmädchen bei einer deutschen Familie in Hamburg. Aufgrund der schweren Arbeits- und Lebensumstände entschloss sie sich zur Flucht, die leider misslang und für die sie bestraft wurde.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1925

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt e.V.

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