Abschrift: xxxx

Ich wurde am 27. August 1925 in Łódź geboren. Als am 1. September 1939 der Krieg ausbrach, war ich erst 14 Jahre alt. Ein Jahr später, als ich 15 geworden bin, wurde ich zwangsweise in der Gummifabrik “Gentleman" in Łódź eingesetzt. Wir fertigten Rettungswesten für Soldatenmatrosen an und in den anderen Abteilungen isolierte Gummistiefel für die Soldaten, die an der Ostfront mit der Sowjetunion kämpften.
Im Oktober 1943 fuhren einige Busse an der Fabrik “Gentleman" vor, und man brachte die ganze Jugend (u.a. auch mich) in das Übergangslager in der Kopernik-Straße in Łódź. Nach drei Tagen im Lager, wo wir auf dem Fußboden schliefen, wurden wir nach Frankfurt, auch in ein Übergangslager gebracht. Von dort verteilte man uns auf das ganze Gebiet Deutschlands.
Ich gelangte nach Berlin-Grünau, in die Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke in Waltersdorf (Berlin-Grünau, Arbeitsamt Teltow). Dort arbeitete ich vom Oktober 1943 bis Mai 1945, d.h. bis zum Ende des Krieges.
Ich erinnere mich an ein paar Namen der Deutschen, mit denen ich zu tun hatte: der Leiter unserer Abteilung hieß xxxx weiß noch die Namen anderer Deutscher: xxxxxxxx
Die Arbeitszeit betrug 8-10 Stunden; die Löhne waren sehr niedrig (ich weiß nicht mehr, wofür sie reichten).
Unterkunft: Ich wohnte im Betriebslager in einer Holzbaracke, in einem Zimmer mit Etagenbetten, zusammen mit sechs Kommilitoninnen. Der kleine Kohleofen heizte sehr schwach. Die Zuteilung vom Brennstoff war sehr klein, also war es im Zimmer immer kalt. Oder nicht im Zimmer, sondern in der Stube - wie man es hier sagte. Außerdem stachen uns die Wanzen.
Verpflegung: Einmal täglich Suppe, meistens aus Steckrüben; zweimal in der Woche, am Dienstag und Samstag, bekamen wir den trockenen Proviant: Brot, Margarine, Wurst oder Leberwurst. Die Menge war so klein, daß ich zum ersten Mal erfuhr, was Hunger bedeutet. Ich war 18-19 Jahre alt, da hat man Appetit! Die Portion, die für dreieinhalb Tage reichen sollte, reichte höchstens für anderthalb Tage. Wir Mädchen beneideten die Jungs, die bei Bauern arbeiteten, daß sie dort mehr zu essen bekamen.
Die medizinische Versorgung gab es. Gott sei Dank, brauchte ich sie nicht, weil ich gesund war.
Das religiöse Leben: Manchmal gingen wir heimlich mit meiner Freundin xxxx in die kleine evangelische Kirche, selbstverständlich nahmen wir zunächst das “P", unser “Identifikationszeichen", das wir zwangsweise trugen, ab. Andere Möglichkeiten gab es nicht.
Kontakte mit der Familie: Meine Mutter lebte zusammen mit meinen zwei kleineren Schwestern in Łódź-Litzmannstadt. Mein Vater lebte seit 1936 nicht mehr. Ich schrieb möglichst oft nach Hause oder schickte Grußkarten zu den Feiertagen dorthin. Für die Briefmarken haben die Arbeitslöhne gereicht.
Negative Erlebnisse aus dieser Zeit: Am schlimmsten waren die Bombardierungen! In den Jahren1943-44 begannen die massiven Luftangriffe der Alliierten auf Berlin. Schrecklich waren die Alarme, besonders in der Nacht! Aus dem Schlaf gerissen, fiel ich in der Eile mehrmals von dem Etagenbett (ich schlief oben) herunter; dann zog man sich eilig an und lief schnell in den Bunker. Die Bunker waren einfach Splittergraben, etwa 8-10 Meter von den Baracken entfernt. In einem solchem Bunker, der lediglich vor den Splittern schützte, tötete 1944 eine Brandbombe meine zwei Kommilitoninnen aus Pabianice, die nur 5 Meter von mir entfernt saßen. Das war grauenvoll!
Die darauffolgenden Bombardierungen waren auch traurig. Trotz der Tarnung unserer Hallen und Fabriklagerräume mit dem Drahtnetz, versehen mit künstlichen Bäumchen und Sträuchern (das Ganze lag im Wald Waltersdorf), entdeckten die Alliierten die Fabrik und bombardierten sie Anfang 1944, wobei sie sie beträchtlich zerstörten. Das Aufheben der Schäden dauerte sehr lange; daran waren alle beschäftigten Ausländer, wir Polen ebenso, beteiligt. Aber die Fabrik wurde wieder instand gesetzt. Ich erinnere mich nur daran, dass die Deutschen begannen, einige wertvollere Maschinen in andere, nicht so gefährdete Teile Deutschlands zu verlegen.
Das Ende des Krieges nahte. Die Luftangriffe nahmen zu. Die Bombardierungen Berlins dauerten an. Das Ausmaß der Zerstörung war schrecklich. Früher war der 20. April, Hitlers Geburtstag, ein Festtag. Alle Häuser und Schaufenster waren geschmückt. Und jetzt, 1945 - nichts!
Ende April 1945 waren schon die Russen in Berlin, auch bei uns, in Waltersdorf. Der Krieg war zu Ende! Wir flüchteten nach Polen, nach Hause. Ich war 19 und hatte nur die Grundschulausbildung, also wollte ich lernen! Ich ging auf ein Lyzeum, das ich 1951 abschloss. Ich machte das Abitur. Gleichzeitig arbeitete ich. Zunächst als Maschinenschreiberin, dann als Referentin und schließlich als Leiterin der Buchhaltung. In verschiedenen Institutionen und Betrieben arbeitete ich insgesamt 42 Jahre lang.

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So schließe ich ab und ich grüße Frau Gisela Wenzel aus Berlin, die das Herz wohl am richtigen Fleck hat, weil sie sich für das Schicksal der heute schon alten Menschen aber auch für ihre jungen Jahre interessiert.


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DZSW 1398
Kurzbeschreibung

Aurelia K. erhielt gerade mit 15 Jahren die Arbeitszuweisung in der Gummifabrik „Gentleman“ in Łódź, wo sie Rettungswesten für die Marine und Gummistiefel für die Soldaten anfertigte. 1943 erfolgte ihre Deportation nach Berlin. Am intensivsten sind ihr Bombardierungen in der Erinnerungen geblieben.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1925

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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