Abschrift: Xxxx

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich antworte auf den Aufruf von Frau Gisela Wenzel und danke Ihnen für das Vertrauen. Ich bin xxxx geboren am 12. März 1925 in Łódź. Meine Ausbildung: die abgeschlossene Grundschule. Nach Deutschland fuhr ich am 27. Januar 1941, ich war damals 16 Jahre alt. Nach Łódź kehrte ich 1944 zurück. Ich arbeitete bei Krupp in Berlin-Neukölln, in der Thiemannstraße 11, als Arbeiterin bei der Montage. Die Lebensbedingungen waren schwer, die Arbeitszeit - 8 Stunden täglich, die Entlohnung - 7 Mark monatlich. Unterkunft in der Baracke. In einem Verschlag gab es 8 Mädchen, Etagenbetten, ein Bad. Die Ernährung: 240 Gramm Brot für 24 Stunden plus Mittagessen: meistens Bohnensuppe. Darüber hinaus 30 Zuckerwürfel für einen Monat und Schwarzkaffee zum Trinken.

Die medizinische Versorgung war gut, ich kann nicht klagen. Als ich krank war, bekam ich die Medikamente kostenlos. Ich war auch beim Zahnarzt und ließ dort Zähne füllen.

Das religiöse Leben? Also ich erinnere mich, dass ich mich mit meinen Kolleginnen verabredete, zusammen in die Kirche zu gehen. Und so gingen wir dahin. Als der Pfarrer uns mit dem Buchstaben „P“ sah, ließ er uns in der Sakristei beten und sagte nur, die Deutschen dürfen uns in der Kirche nicht sehen, denn sie würden uns verjagen. Und dass wir nicht mehr kommen sollten.

Kontakte mit meinen Eltern waren nur brieflich. Mit der deutschen Bevölkerung hatte ich keine Kontakte, nur mit den Personen, mit denen ich zusammen arbeitete. Ich weiß noch, es gab eine Vorarbeiterin Frau xxxx die sehr freundlich und gut war. Sie bat den

Leiter darum, dass ich nach der Arbeit zu ihr kommen durfte, weil sie mir die Deutsche Sprache beibringen wollte. Der Leiter war aber nicht einverstanden.

Das Bild Berlins war während der Bombardierungen schrecklich. Wir schliefen nicht, mussten aus den Baracken zum Betriebsbunker fliehen, und es war etwa 0,5 Kilometer. Die Bombardierungen erfolgten meistens nachtsüber. Nach dem Luftangriff kehrten wir wieder in die Baracken zurück. Manchmal schafften wir es gar nicht, uns auszuziehen und schon mussten wir wieder zum Bunker fliehen. Gott behüte uns vor solchen Erlebnissen.

Das Schicksal meiner Familie: Mein Bruder kehrte aus dem Lager fast blind zurück, lungenkrank, und bald darauf starb er. Von der ganzen Familie blieb nur meine Schwester, 6 Jahre jünger als ich, die während des Krieges als 12jähriges Mädchen Gräben ausheben musste.

Sie bitten um Andenken. Ja gewiss, ich habe ein Foto mit meinen Kolleginnen und eines, wo ich alleine vor dem Brandenburger Tor stehe, aber es sind meine einzigen Erinnerungsstücke.

Bitte verzeihen Sie, dass ich so chaotisch schreibe. Vielleicht erwarteten Sie etwas anderes.

Xxxx

Łódź, den 30.12.1997

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DZSW 1422
Kurzbeschreibung

Franciszka L. war bei den A. Krupp-Werken in Berlin-Neukölln in der Montage tätig. Eine freundliche deutsche Mitarbeiterin wollte ihr die deutsche Sprache beibringen, der Betriebsleiter hat es jedoch untersagt.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1925

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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