Abschrift: Xxxx

Ich wurde am 26. November 1923 in Tuszyn geboren. Ich schloss die Grundschule ab und machte zwei Klassen der Schneiderschule. Nach dem Kriegsausbruch, während der deutschen Besatzung, wurden für Polen alle Schulen geschlossen. Im Oktober 1943 wurde ich zusammen mit meinen vier Kolleginnen von der Arbeit abgeholt. Es war eine kleine Firma in der Gdańska-Straße 45. Man holte uns so, wie wir da standen, wir hatten nichts bei. Zunächst wurden wir in einer großen Fabrik in der Łąkowa-Straße eingesperrt und dann, nach ein paar Tagen mit dem Zug nach Deutschland gebracht. Das war ein sehr großer Transport. Zunächst brachte man uns nach Brandenburg ins Lager und von dort wurden wir zu den Bauern oder in die Fabriken geschickt.

Wir alle fünf und auch andere Personen aus Łódź und Ozorków wurden nach Berlin, in die Flugzeugfabrik Henschel AG gebracht. Der Stadtbezirk hieß Johannistal. Gegenüber der Fabrik war das Lager und dort wurden wir eingesperrt. Das Lager war bewacht, man konnte es nur mit einem Passierschein verlassen. Nach der Schulung arbeiteten wir 10 Stunden täglich. Ich arbeitete an einer Maschine, an der ich Flugzeugteile aus Aluminium schweißte.

Der Kontakt mit der Familie war nur brieflich. Wir durften auch Pakete bekommen. Mit den Deutschen hatten wir gar keine Kontakte, nur insofern es bei der Arbeit nötig war. (Sie hörten, wir seien freiwillig zur Arbeit gekommen und nicht zwangsweise verschleppt.) Die Löhne waren niedrig, wenn ich mich recht erinnere, 20 Mark monatlich, gerade für die Briefe und Briefmarken, da man viel schrieb; es war unsere ganze Verbindung mit unseren Familien.


Die Bedingungen im Lager waren schrecklich. Wir schliefen auf Etagenpritschen, es gab keine Kissen (später bekam ich ein Kopfkissen im Paket von Zuhause), jede hatte zwei Decken. In jeder Stube waren wir viele. Am schlimmsten war es im Sommer. Es gab dort sehr viele Wanzen, nie im Leben sah ich solche Unmengen. Wir verbrannten sie mittels einer Masse aus der Fabrik, ab und zu gab es Desinfektionen, was aber nichts half. Einmal in der Woche gab es das Bad unter der Dusche, selbstverständlich gemeinsam. Und die Wäsche.

Die Küche wurde von Holländern geführt. Das Leben war sehr bescheiden. Ich erinnere mich noch an diese Pellkartoffeln, die wir die ganze Zeit bekamen, meistens kalt.

Im Dezember 1944, nach Weihnachten, brannte unser Lager während eines Luftangriffs nieder. Eine Brandbombe traf unseren Bunker, den Luftschutzraum. Es gab solches Entsetzen und solche Panik, so dass alle sich in einer dichten Menge zusammendrängten. Hätte man uns von außen her nicht herausgezogen, so wären wir bestimmt erstickt. Wir gingen ohne Schuhe, barfuß hinaus. Der Alarm dauert an, wir stehen unter freiem Himmel, das Lager brennt, Berlin steht in Flammen. Wir waren sicher, man schickt uns nach Hause zurück, aber wir alle wurden leider ins Lager Schönefeld versetzt. Zunächst führte man uns täglich zur Arbeit nach Johannistal, aber es war ziemlich weit. Dann wurden wir in die Schönefelder Fabrik versetzt. Aber das Kriegsende nahte bereits und es gab nicht allzu viel Arbeit. Also sammelten wir auf dem Flugplatz Bombensplitter. Von Zuhause bekamen wir keine Briefe mehr, da in Łódź bereits die Russen waren. Im April flohen die Deutschen und Holländer aus dem Lager. Sie wussten, bald kommen die Russen, also ließen sie uns ohne Essen, ohne Verpflegung zurück und gingen auf die amerikanische Seite, da sie dachten, dort wird es besser sein.

Nach dem Einmarsch der Russen im Lager brachen wir am nächsten Tag ganz früh morgens zu Fuß nach Polen auf. Wir gingen fast zwei Wochen, übernachteten auf Dachböden unter schrecklichen Bedingungen, dachten aber nur daran, so schnell wie möglich nach Hause zu gelangen. Wir kamen in Ostrów Wielkopolski an und erst von dort fuhren wir mit dem Zug nach Łódź. Ein paar Tage später war der Krieg zu Ende und ich war schon zu Hause. xxxx xxxx Nach dem Krieg war ich niemals in Deutschland, nicht einmal einen Ausflug nach Berlin machte ich.
Wir beten heiß und innig zu Gott, damit es bei uns nie wieder Krieg gibt und die Menschen nicht unnötig umkommen.
(-)xxxx, am 29.11.1997

PS. Mein Vater war ebenfalls nach Deutschland verschleppt und kehrte erst im August zurück. Meine Schwester und mein Bruder wurden zum Ausheben der Schützengräben deportiert, aber alle kehrten zum Glück nach Hause zurück, wofür dem Herrgott dank sei. Ich füge mein jetziges Bild bei.

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DZSW 1411
Kurzbeschreibung

Leokadia K. war für die Flugzeugfabrik Henschel als Zwangsarbeiterin tätig, wo sie als Schweisserin an Flugzeugteilen arbeitete. Kurz vor dem Kriegsende aus Angst vor der russischen Armee flohen deutsche und niederländische Arbeiter aus der Fabrik.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1923

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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