Abschrift: Xxxxx


Erinnerungen aus der Zeit der Zwangsarbeit während des Krieges, niedergeschrieben von xxxxx, geb. am. 8.8.1925 im Dorf Kaliska, Gemeinde Lubień Kujawski, heute Wojewodschaft Włocławek

Bis zum Anfang des Krieges 1939 und der deutschen Besatzung lebte ich zusammen mit meinen Eltern und Geschwistern im Dorf Kaliska. Im nahen Städtchen Lubień Kujawski ging ich auf die Grundschule. Nach der Beendigung der Grundschule bestand ich die Aufnahmeprüfung zum Handelsgymnasium in Włocławek, an dem ich die Ausbildung am 1. September 1939 anfangen sollte. Damals begann aber der Krieg mit den Deutschen, und alles änderte sich. Anfangs arbeitete ich in einem deutschen Haushalt als Haushaltshilfe. Nach einer Weile kam meine ältere Schwester an meine Stelle, und ich ging zu meiner zweiten Schwester, die in Lubień lebte.

Und eben von dort wurde ich während einer Straßenrazzia im Städtchen abgeholt. Es war im November 1942, als ich 17 Jahre alt war. Man brachte uns zum Arbeitsamt in Włocławek. Dort wurden wir im Gebäude der einstigen Priesterschule gehalten, wo uns auch die ärztliche Kommission untersuchte. Dann wurden wir nach Łódź in die Kopernik-Straße abtransportiert, wo wir in alten Fabrikgebäuden saßen. Nach ein paar Tagen wurden wir nach Wilhelmshagen bei Berlin ins Lager gebracht. Dort gab es Kommissionen und man verteilte uns auf verschiedene Orte und wies uns unterschiedliche Arbeiten zu. Ein paar Bekannte aus diesem Transport und ich gelangten in die Kabelfabrik Bergmann im Stadtbezirk Rosenthal. Angesiedelt wurden wir in Baracken in der Nähe von der Fabrik, in der Wohnsiedlung Wilhelmsruh. Dort gab es ein Lager mit vielen Nationalitäten. Auf dem sehr großen Gelände, das mit einem hohen Zaun umfriedet war, standen Baracken, und die Menschen wurden gesondert, nach Nationalitäten verteilt.

In den Baracken gab es je 12 Stuben, und in jeder Stube jeweils 6 oder 8 Etagenbetten (nicht an alles kann ich mich genau erinnern). Ein großer Waschraum und ein Abtritt mit einigen Stellen. Zur Arbeit und zurück wurden wir anfangs unter Bewachung der Polizei geführt, ebenso zu den Mahlzeiten. Das Lagergelände durfte man selbständig nicht verlassen. Das dauerte einige Zeit, dann wurde es besser. Wir gingen überallhin alleine, auch in die Fabrik. Dafür aber mussten wir vor der Fabrik stehen bleiben und abwarten, bis die Deutschen zunächst hineingingen, erst dann durften die Ausländer hinein. Um sich also nicht zu verspäten und rechtzeitig die Karte in der Abteilung zu stechen, mußte man ganz schnell laufen, sich im Umkleideraum umziehen und gleich am Arbeitsplatz stehen.

Ich arbeitete in zwei Schichten, von sechs bis vierzehn Uhr, und die nächste Woche von vierzehn bis zweiundzwanzig Uhr, mit der Maschine, die Kabel aufwickelte.

Frühstück und Abendbrot aßen wir in der Fabrik, jede in ihrer Abteilung. Es war ein kärgliches Essen: zwei Scheiben Schwarzbrot mit Margarine, ein wenig Marmelade und ungesüßter Schwarzkaffee. Die Mittagessen in der Kantine. Die Ernährung war unterschiedlich, manchmal annehmbar, manchmal ungenießbar. Steckrüben, Mohrrüben, mit Kartoffelmehl in Perlen angemacht (wir nannten es Froschlaich), manchmal Kohl, Kartoffeln und ein Stückchen Fleisch.

Es gab keine reguläre Entlohnung. Von Zeit zu Zeit bekamen wir wohl je fünf Mark. Geld und Lebensmittelpakete schickte man uns von Zuhause zu. An unsere Familien schrieben wir sehr oft. In der Freizeit oder an den Feiertagen, als uns bereits erlaubt war auszugehen, fuhren wir mit der Straßenbahn ins Stadtzentrum Berlins, um etwas zu besichtigen oder etwas einzukaufen: zum Alexanderplatz, in die Friedriechstraße, zum Brandenburger Tor oder in andere Stadtbezirke, wo wir viele Bekannte hatten. Auch sie kamen uns besuchen. Oft gingen wir ins Kino, manchmal in den Park in Schönholz oder in die katholische Kirche in Reinickendorf, die später bombardiert wurde. Überallhin ging man mit Angst im Nacken, da wir das Abzeichen mit dem Buchstaben „P“ vor dem gelben Hintergrund auf dem Aufschlag angenäht haben mussten. Aber wir nähten es so an, um es eben unter dem Aufschlag verbergen zu können oder es zum Vorschein zu bringen, wenn es nötig war. Mit diesem Abzeichen hätte man uns nirgendwohin eingelassen.

Ich war ein paar Male krank. Ich hatte eine Blinddarmoperation, lag in der Klinik in einem Saal mit deutschen Frauen, die mich nach der Operation betreuten. Die medizinische Betreuung war sehr gut. 1944 hatte ich einen Arbeitsunfall und wurde in der Augenklinik behandelt. Im Lager gab es nur eine Krankenstube, in der man mit leichteren Krankheiten lag.

Die schlimmsten Erlebnisse waren die während der Bombardierungen. Manchmal gab es zweimal an einem Tag oder in einer Nacht Alarm. Dann wurden wir in die Luftschutzräume getrieben, und dort saß man ein paar Stunden, bis die Entwarnung kam. Bei uns wurden die Luftschutzräume und Baracken bombardiert. Es brannte. 40 Personen kamen damals um. Unsere Fabrik wurde auch getroffen, nicht nur einmal. Unsere Baracken wurden bombardiert, und wir hatten keine Unterkunft mehr. Man brachte uns von einem Ort zu dem anderen. Wir wohnten in Hermsdorf, in Schönholz. Wurde es dort zerbombt, so kehrten wir wieder in die Baracken in der Nähe von der Fabrik zurück. Das war ein schweres Leben, in ständiger Angst und im Stress.

Mit der deutschen Bevölkerung hatten wir wenig Berührungspunkte und Kontakte. Bei der Arbeit behandelten sie uns verhältnismäßig gut. Am schlimmsten waren die Tage vor der Beendigung der Kriegshandlungen. Und dann die Angst, als wir heimkehrten, als alles zu Ende war, und das war im Mai 1945. Ich kehrte ohne Zwischenfälle nach Hause zurück. Nach der Rückkehr bekam ich Arbeit in dem nahen Städtchen. Nach ein paar Monaten wechselte ich die Arbeit und ging zur Gemeindeverwaltung, wo ich im Büro drei Jahre lang arbeitete. 1949 ging ich zur Gemeindegenossenschaft in Lubień, wo ich als Buchhalterin bis 1981 arbeitete. Als ich 55 geworden bin, ging ich in Rente. Jetzt bleibe ich zu Hause und führe das Leben einer Hausfrau.

Xxxxx

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DZSW 1497
Kurzbeschreibung

Halina L. war als Minderjährige nach Wilhelmshagen bei Berlin verschleppt worden, wo sie für das Kabelwerk Bergmann tätig war. Sie erkrankte in der Zeit und musste operiert werden. In der Klinik lag sie mit deutschen Frauen im gleichen Saal.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1925

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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