Abschrift: Xxxxx


Beschreibung des Aufenthaltes bei der Zwangsarbeit in Berlin in den Jahren 1942-1945

Am 8. Dezember 1942 machten die Deutschen eine Razzia in unserem Dorf und ich geriet in die Hände des Besatzers und wurde nach Warschau abtransportiert. Nach fünf Tagen detaillierter Untersuchungen von den Ukrainern unter der Aufsicht deutscher Besatzungsbeamter wurde der Transport zusammengestellt. Nach Qualen in den Kellern des Warschauer Arbeitsamtes drängten wir uns hungrig, erschöpft, dreckig vom Urin und Kot, durch eine sehr schmale Tür hinaus. Nebenan befanden sich Toiletten. Drei Ukrainer saßen neben diesen Toiletten und begossen uns, die wir verschwitzt, hungrig und dreckig waren, mit kaltem Wasser aus Eimern. Nach dieser Hölle mussten wir uns ausziehen, zusammen Männer und Frauen, und die Deutschen gingen zwischen uns hin und her, schauten sich uns an, machten Fotos. Unsere Kleider und Schuhe nahmen sie zur Dämpfung weg, und wir alle gingen ins Bad, um uns unter der Dusche zu waschen. Nach dem Bad gaben sie uns unsere Kleider und Schuhe zurück, befahlen uns, uns anzuziehen. Dann mussten wir uns hungrig auf die nackten Bretter hinlegen. Am nächsten Tag suchten uns die ukrainischen Frauen die Geschlechtsteile und Köpfe ab. Man begoß uns mit dem Sabadillessig, und wenn jemand Ungeziefer am Kopf oder in der Gegend der Geschlechtsteile hatte, wurde ihm das Haar abrasiert, egal, ob das ein Mädchen oder ein Junge war.

Nach fünf Tagen, es war am 13. Dezember 1942, meldeten wir uns von alleine mit meinen Kollegen bei der ukrainischen Bewachung und baten, uns in die Transportliste zur Zwangsarbeit nach Deutschland einzutragen. Wir wollten so schnell wie möglich dieser Qual und diesem Hunger entgehen. Sie nahmen uns, ein paar Dutzende, mit. Erneut gab es eine Untersuchung auf ansteckende Krankheiten hin, wieder mussten wir uns nackt ausziehen, egal ob es Mädchen oder Jungen waren, und vor diesem angeblichen ukrainischen Arzt antreten. Erst danach wurden wir unter Bewachung von bewaffneten deutschen Soldaten hinausgeführt und in Fünferreihen hingestellt. Zusammen Mädchen und Jungen. So gingen wir zum Warschauer Hauptbahnhof. Unterwegs erschossen die Deutschen vier Jungen, weil sie die Reihe verließen. Am Hauptbahnhof stand ein Zug für uns bereit. Die Deutschen luden uns in diesen Zug, schlossen alle Türen ab. In jedem Waggon fuhr zusammen mit uns ein deutscher Soldat mit der schussbereiten Waffe. Von Warschau fuhren wir nach Kutno und weiter in Richtung Deutschland. Von Kutno bis Berlin fuhren wir in der Nacht. Am nächsten Morgen kamen wir in Berlin an. Dort stiegen wir aus, wurden in Fünferreihen aufgestellt und marschierten zu Fuß zum Arbeitsamt. Dort wurden wir von ukrainischen Ärzten ärztlich untersucht.

Erst am 19. Dezember 1942 kam ein Angestellter von Herrn xxxxx uns abzuholen. Er nahm die Ausweise mit Fotos von uns dreien und wir fuhren mit der U-Bahn. Er saß uns gegenüber, er hielt unsere Dokumente mit Fotos in der Hand und schaute sich mal uns, mal unsere Dokumente an. Von der U-Bahn gingen wir dann zur Straßenbahn, mit der wir bis zur Fennstraße 22-26 fuhren. Dann führte er uns in die Kantine und ließ uns zu Mittag essen. Er bestellte vier Gerichte, die aus Steckrüben, Kohl und Mohrrüben zubereitet waren. Nach dem Mittagessen gab er jedem von uns 10 Mark für die ganze Woche und je 500 Gramm Brot. Dann gingen wir zum Kohlenlager. Die Unterkunft für uns war in einer Scheune vorbereitet.

Am nächsten Tag gingen wir zur Arbeit. Mich hat man dem Fahrer vom „Buldogg“-Trecker zugewiesen. Es war ein älterer Herr, xxxxx , sehr arbeitsam und streng zu den anderen. Ich ging in Offiziersstiefeln und einem schönen Anzug zur Arbeit. Wir trugen Briketts hinauf, zum vierten Stockwerk, jedes Mal 80 Kilo und das die ganzen acht Stunden lang. Die Deutschen und ältere Arbeiter hatten Leder auf dem Rücken und ich hatte nur die Jacke an. Gleich wurde sie an den Schultern und dem Rücken zerrissen. Auch meine Hose und Schuhe waren nach dem ersten Arbeitstag kaputt. Am nächsten Tag konnte ich nicht vom Bett aufstehen. Alles war mir egal, sie hätten mich sogar töten können. Um sieben Uhr erschien der Meister mit einer Gabel, um mich zu schlagen. Ich zeigte ihm meinen blutigen Rücken und meine Schultern. Er schimpfte noch mehr mit mir, schlug mich mit der Gabel, so dass ich mich zwingen musste aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Er ließ mich aber auf dem Platz, wo ich Koks von den Waggons ausladen sollte. Nur dass ich mich nicht mal beugen konnte. Damals entschloss ich mich, Selbstmord zu begehen. (Es kam aber nicht dazu) dank dem Ukrainer xxxxx, der auf mich zukam, mich von dem Waggon wegbrachte, mich hinsetzen ließ und den Koks selber auslud. Zusammen mit mir kam xxxxx aus Garwolin( unweit von Warschau) zu dieser Firma. Er war fünf Jahre älter, vom Lande und widerstandsfähiger, aber es setzte ihm zu wie mir. Zusammen mit mir arbeitete auch xxxxx xxxxx aus Lwów (Lemberg - Anm. d. Ü.), der 12 Jahre älter als ich war. Insgesamt arbeiteten bei Herrn xxxxx 12 Polen bei den Kohlen, zwei Ukrainer als Schmiede und zwei Franzosen, von denen der eine auch bei den Kohlen arbeitete und der andere als Autofahrer, sowie zwei Deutsche. Der eine, xxxxx , behandelte uns sehr schlecht und sprach uns ständig mit „polnische Schweine“ an. Der andere hieß xxxxx war taub, aber es war ein sehr rechtschaffener Mensch. So war er immer, aber hauptsächlich mir gegenüber. Unser Chef xxxxx war sehr gut.

(Er beschreibt die Schwierigkeiten mit der Kleidung, die ständig dreckig und zerrissen waren und repariert und gewaschen werden mußten, und auch darüber, wie der Chef ihm und einem seiner Kollegen neue Kleider in einem Kaufhaus kaufte. - Anm. d. Ü.) Wenn wir zu ihm Kohlen brachten, bereitete uns seine Frau nach der Arbeit immer das Mittagessen zu. Es gab Obst aus dem Garten und ein Glas Weinbrand, und das übrige Obst durften wir dann mitnehmen. Der Chef und seine Frau waren sehr freundlich zu uns und verständnisvoll.

Ich füge ein Foto bei: Es sind meine fünf Kollegen und ich. In dieser Firma arbeiteten ich, Henryk xxxxx bis zum Kriegsende, vier unserer Kollegen sind 1944 geflohen. Sie wurden in Katowice gefasst und ins Straflager eingesperrt. Ich weiß nicht, ob einer von ihnen überlebt hat.

Ich wurde am 28. Februar 1922 in Trzaskowice geboren, habe die Grundschule abgeschlossen. Verschleppt wurde ich am 8. Dezember 1942 im Alter von 20 Jahren. Ich habe in der Kohlenfirma gearbeitet, wobei wir Kohle, Koks und Briketts in der ganzen Stadt und der Gegend transportierten. Wir fuhren Anthrazit sogar zum Reichstag. Wir durften aber nur auf dem Hof bleiben, Anthrazit in den Kellern ausschütten, ohne den Wagen zu verlassen. Nach der Arbeit kam immer ein General und gab uns allen, auch den Polen, je ein Päckchen Zigarren. Wir arbeiteten 8 Stunden und ausnahmsweise sogar 12 Stunden täglich. Der Lohn betrug 28 Mark wöchentlich. Unsere Unterkunft war in einer dürftigen Scheune am Kohlenlager. Dort wohnten wir, bis das Kohlenlager von den Alliierten ausgebombt wurde. Dann wohnten wir bei unseren Kollegen, zusammen mit den Mädchen. Nach drei Monaten bekamen wir eine Wohnung in einem ehemaligen Laden mit einem großen Schaufenster in der Fennstraße, wo wir bis zur Befreiung durch die polnische und sowjetische Armee wohnten.

Die Ernährung. Wir bekamen Wochenmarken und zusätzlich die Schwerarbeiter-Karte. Die Mittagessen kochten wir uns selber: es waren Steckrüben, Kohl, Mohrrüben und ein paar Kartoffeln, ohne Fett und Suppengrün. Es gab keine medizinische Versorgung, mit Ausnahme der Arbeitsunfälle. Während der Freizeit machten wir Einkäufe, kochten zu Mittag und bereiteten uns für den nächsten Arbeitstag vor. Sonntags, falls es keine Waggons zum Ausladen gab, gingen wir in die Kirche, da es unweit eine katholische Kirche gab. Wir gingen dahin zusammen, mit der ganzen Gruppe, die auf dem Foto zu sehen ist. Was die Kontakte mit den Familien in der Heimat betrifft, ich habe negative Erfahrungen gemacht, denn viele Briefe gingen unterwegs verloren. Die Kontakte mit der deutschen Bevölkerung waren meistens positiv, abgesehen von unserem Meister, der ein Bösewicht und nervöser Mensch war.

Das Bild Berlins nach der Kapitulation der deutschen Armee war erschütternd. Die Stadt war ausgebrannt und zertrümmert durch die Alliierten und die sowjetische Armee. Am 29. April 1945 marschierten die polnische Armee und die Sowjets in Berlin ein. (Er beschreibt, wie die sowjetischen Panzern anrückten - Anm. d. Ü.) Wir flüchteten in die Keller des Wohnhauses, in dem wir wohnten. Im besten Keller saßen deutsche Frauen mit Kindern, dann die Ukrainer und in der Nähe des Ausgangs - wir Polen. Nach knapp zwanzig Minuten erschien der erste sowjetische Soldat, ein hagerer, etwa 18jähriger Junge mit der schussbereiten Waffe in der Hand. Er schlug kräftig an die Tür. Als wir ihm öffneten, stürzte er herein und schrie: „Wir haben euch befreit! Wer seid ihr?“, fragte er. Wir sagten: „Polen“. Und er bot uns Zigaretten an. Dann schrie er: „Wer noch?“ „Ukrainer“. Er stürzte zu ihnen herein und schrie: „Euch muss man erschießen! Ihr seid Verräter!“. „Wer noch?“ Die deutschen Frauen mit Kindern hatten Koffer mit Kleidern und Essen. Er schlug sie gegen den Fußboden, so dass die Marmelade nur so herum spritzte. Und nach ein paar Minuten kam der Mob. Und dann: „Her mit dem Schmuck!“. Als sie alles geraubt hatten, warfen sie die deutschen Frauen auf den Fußboden, zerrissen ihnen die Schlüpfer und vergewaltigten sie.

Mehrere eine. Es tat uns leid, das anzusehen. Dann nahmen sie uns Polen zu unserer Wohnung mit, brachten Weinbrand, gestohlen aus den Läden, gossen ihn in die verstaubten Tassen ein, und wir mussten zusammen mit ihnen trinken. ... Am nächsten Tag kamen wieder einige Soldaten zu uns, befahlen uns, unsere Sachen zusammenzupacken und nach Hause zu gehen. Wir gingen zur Vorstadt Berlins. Sie haben uns die Uhren geraubt und ließen uns in einer Sammelstelle zurück. Dort bekamen wir je eine Kartoffel mit Pelle und konnten dort übernachten. Am nächsten Tag, es war am 1. Mai 1945, bekamen wir wieder eine Kartoffel, wurden in Sechserreihe gestellt und weitere 52 Kilometer bis zum nächsten Lager geführt. Von unserer Gruppe sind nur fünf Männer geblieben. Dann befahl man uns Polen, anzutreten. Ein Offizier kam zu uns, schrieb sich unsere Personaldaten auf und nach fast einer Stunde brachte er uns Passierscheine. Mit der Hand zeigte er in Richtung Osten und sagte: „Da ist Polen“. Dann führte er uns vor das Eingangstor, sagte uns „Auf Wiedersehen“ und befahl uns, weiter zu Fuß zu gehen und keine Fahrzeuge zu besteigen.

So endet meine Erzählung. (Weiter erzählt er von der Rückkehr nach Polen und von seinem schweren Leben nach dem Krieg.- Anm. d. Ü.) Oft wurde ich krank. Alle Zähne habe ich im 27 Lebensjahr ziehen lassen, da ich Skorbut bekam, und ich musste mir eine Prothese anfertigen lassen. Schuld daran war die Ernährung in Berlin, so sagten die Zahnärzte. Das Fehlen von Vitaminen und die schwere Arbeit bei den Kohlen. Auch meine Beine und die Lunge sind kaputt. Xxxxx

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DZSW 1517
Kurzbeschreibung

Stefan M. hat aufgrund der schweren körperlichen Arbeit mit Selbstmordgedanken gekämpft. Er war in einem privaten Kohlebetrieb tätig und belieferte auch den Reichstag. Er geht detailliert auf die grausaumen Erlebnisse am Ende des Krieges ein.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1922

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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