Abschrift: Xxxxx

Fortsetzung des Berichtes über die Zwangsarbeit und über Beziehungen zwischen der deutschen Bevölkerung und Polen.

Sehr geehrte Frau Wenzel,

Hiermit teile ich Ihnen einige Ereignisse mit, die ich im letzten Brief nicht erwähnte, und die jedoch geklärt werden müßten, da sie mich bis heute beschäftigen. Ich erinnere nochmal, wo ich wohnte und arbeitete:

Gemeinschaftslager Deutsche Lufthansa A.G.
Berlin-Staaken, Feldstraße, Stube 26
Meine Nummer 496

Ich arbeitete bei der Deutschen Lufthansa A.G. in Berlin-Staaken in der Motoren-Abteilung, die für Reparatur von Propellern der Flugzeugmaschinen zuständig war. Meine Meister waren: xxxxx Zu meinen Aufgaben gehörten: Die Demontage der Untergestelle, das Waschen und Säubern mit Benzin der Farbflecke der Propeller, die Montage der Unterteile sowie die Lieferung der Teile ins Lager. Meine Arbeit erlaubte mir, mich im Betrieb frei zu bewegen. Man gewann mich zur Mitarbeit beim Transport der französischen Gefangenen, vor allem von Marokkanern und Algeriern, die man vom Lager aus bis zur Verladerampe der Bahn, ca. 800 m schmuggeln mußte. Dort wurden diese schon von einem Deutschen erwartet. Von dort aus wurden sie im Güterzug, der Motoren transportiert, nach Marseilles in Frankreich befördert, wo sie von der französischen Untergrundbewegung erwartet wurden.

Im Jahre 1943 gab es einen Reinfall in Marseilles. Zufällig öffnete in Marseille jemand anders die Waggons, und die Angelegenheit wurde der Gestapo übergeben. Der Helfer, ein gewisser Deutscher, wurde an die Ostfront geschickt, aber er hat mich sowie andere zwei polnische Helfer nicht verraten. Aus diesem Grunde habe ich einen großen Respekt vor diesem Mann.
Die andere Angelegenheit, die mich beschäftigt, betrifft eine deutsche Familie. Der Mann war eine sehr große Persönlichkeit, 1943 arbeitete er bei der Gestapo in Prenzlau. Infolge meines Unfalls, den ich im 1943 hatte, lag ich in der Lagerkrankenstube zirka einen Monat lang. Danach habe ich wieder in derselben Abteilung und bei demselben Meister angefangen zu arbeiten. Eines Tages besuchte meinen Meister ein deutscher Mann. Nachdem er sich mit dem Meister unterhalten hatte, kam er zu mir und hat mir vorgeschlagen, im Garten des obengenannten Gestapomann zu arbeiten. Ich sagte, daß ich vom Lager vom Werkschutz in die Arbeit begleitet werde und er erwiderte, daß ich einen Passierschein bekommen werde für jeden Samstag (vom Meister), so daß man mir im Lager nicht drohen werde. Ich erklärte mich einverstanden und ich begab mich zu der oben angegebenen Adresse, die sich gegenüber der Eisenbahnlinie befand, vom Lager aus nur geradeaus. Das Kennenlernen war sehr angenehm (an meiner Jacke befand sich ein großes “P”). Es begrüßten mich: der Hauseigentümer, seine junge Frau, ein junges Mädchen, ca. 18 Jahre alt, die mich anlächelte. Es hat mich sehr beeindruckt, daß das junge Mädchen mich ausfragte und ihre Tante sie darauf hinwies, daß ich Pole sei, und mir eine große Vertrautheit mit Deutschen verboten sei. Danach sind die Frauen ins Haus reingegangen und mich hat der Besitzer informiert, was ich zu tun hatte. Von sich hat er erzählt, er sei ein hoher Gestapo Beamte in Breslau, aber das sollte mich nicht stören. Seine Frau dagegen stand den Polen feindlich gegenüber, wahrscheinlich hatten sie einen Sohn, der auf polnischen Gebieten gefallen war. Eines Tages besuchte mich der Deutsche, der mich dem Gestapomann empfohlen hatte in der Arbeit und sagte mir, daß er mich mit einer Angelegenheit, die den Gestapomann betreffen würde, beauftragen möchte. Ich habe mich sehr gewundert und überlegte, worum es wohl gehen sollte.

Wie ich erfuhr, kam das junge Mädchen aus Hamburg, daß 1943 bombardiert wurde und ihre Eltern kamen um. Mit der Zeit habe ich mich mit dem Mädchen angefreundet und sie wollte, daß ich mit ihr nach Hamburg und danach mit einem Motorkutter nach Schweden fuhr, weil sie dort Familienangehörige hatte. In dieser Angelegenheit fuhr sie auch nach Hamburg und erledigte alles und wir haben schon einen Zeitpunkt für die Abfahrt festgesetzt. Die Tante des Mädchens verbot mir, zu ihnen nach Hause zu kommen, aber sie besuchte mich eines Tages im Lager und bat den Werkschutz mich in die Portierstube zu holen, um mich zu sehen und mit mir zu sprechen.

Sie hat mich freundlich begrüßt und sagte, dass sie oft kommen würde, mich zu besuchen. Als wir außerhalb des Lagers waren, sagte sie mir, dass die Flucht immer noch aktuell sei und dass wir in Kürze wegfahren würden. Zu dieser Zeit waren die Luftschläge so stark, daß der Kontakt mit ihr unterbrochen war. Ich dachte, dass sie umkam weil die Häuser, wo sie wohnte, zerstört wurden. 1944 wurden wir aus Berlin nach Schlesien versetzt, weil die Lufthansa vollständig zerstört wurde. Ich schrieb nach Berlin für meinen Kollegen und erfuhr, dass dieses Mädchen sie besuchte nur das sie ihr meine Adresse gegeben hätten. Sie hätte mich besuchen wollen, aber sie kam nicht. Auf diese Weise riss der Kontakt zu ihr, und unsere große Freundschaft fand ihr Ende. Bis jetzt überlege ich noch, was für eine Rolle ich in dieser Angelegenheit spielen sollte, und ob es eine wirkliche Freundschaft war. Ich dachte, dass es alles ist, was ich zu schreiben habe, vor allem was die Beziehung zwischen Polen und Deutsche betreffen. Ich denke, dass die politischen Parteien die Nationen trennen und dadurch Feindschaften entstehen.



Hochachtungsvoll wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer großen Aufgabe.

Xxxxx

Anbei:

1. F.D.G.B.
2. Lagerausweis Nr. 496, dessen Übereinstimmung mit dem Original von ZUS (öffentliche Versicherungsanstalt) bestätigt wurde. Originale werde ich nach Erhalt des Entgeldes für die Arbeit bei der deutschen Lufthansa A.G. zusenden.

Sehr vereehrte Frau Gisela Wenzel!

Ich bitte Sie, Ihre Möglichkeiten zu nutzen, um das Gewissen der Deutschen Lufthansa A.G. zu rühren, damit ich mein Entgeld für die Zwangsarbeit und für meinen Unfall während der Arbeit bekomme. Alle meine Dokumente habe ich abgeschickt und ich warte.

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    Dokument in Kopie: Lagerausweis Nr. 496 des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiers Jan Matusiak

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    1. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Jan M.: Gruppenfoto mehrerer Männer vor einer Baracke

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    2. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Jan M.: Fotografie zweier Männer und einer Frau auf einer Wiese

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DZSW 8399
Kurzbeschreibung

Jan M. wurde 1942 festgenommen und nach Berlin verschleppt, wo er für die Lufthansa Zwangsarbeit leistete. Er erlitt einen schweren Unfall bei der Montage von Propellern und ist dankbar, dass er medizinisch versorgt wurde.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1923

Angaben zur Zwangsarbeit
Weitere Objekte

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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Dokument in Kopie: Lagerausweis Nr. 496 des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiers Jan Matusiak© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

1. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Jan M.: Gruppenfoto mehrerer Männer vor einer Baracke© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

2. Fotografie des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Jan M.: Fotografie zweier Männer und einer Frau auf einer Wiese© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt