Abschrift: xxxx

Gisela Wenzel Berliner Geschichtswerkstatt e.V.
Goltzstraße 49
D-10781 Berlin

Wie die polnische Presse bekanntgab, können die vom 3. Reich geschädigte Personen sich unter der oben genannten Adresse melden, zwecks Entschädigung für das erfahrene Leid in den Jahren 1939-1945.

Dies ist der Verlauf der tragischen Ereignisse.

Ich wurde am 12. Mai 1928 geboren, als Tochter von xxxx, im Dorf xxxx, 10 km östlich der Bug, der jetzigen polnisch-ukrainischen Grenze, an der Strecke Lublin-Kowel.

Meine Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft (10 Hektar) in dem o.g. Dorf. Am 22. Juni 1941 brach der deutsch-sowjetische Krieg aus, und die sowjetischen Truppen leisteten im Rückzug Widerstand gegen die deutschen Truppen. In der unmittelbaren Umgebung unserer Landwirtschaft entwickelte sich eine Schießerei, und als sich die sowjetischen Truppen weiter nach Osten zurückzogen, traten im unser Haus ein Dutzend deutscher Soldaten ein. Wir lagen auf dem Fußboden, sie hießen uns die Wohnung verlassen. Sie führten uns auf den Hof hinaus und verlangten von meinem Onkel Wasser. Der Onkel nahm den Eimer und ging zum Brunnen, als man ihn mit einem Schuss in den Rücken erschoss.

Dann nahmen sie meinen Vater. Meine Mutter bat sie mit Tränen in den Augen, auf den Knien, damit sie ihn nicht erschießen. Aber die deutschen Soldaten nahmen keine Notiz von der Bitte und den Tränen und erschossen vor meinen Augen meinen Vater und meine Mutter. Dann steckten sie unser Wohnhaus in Brand, das mit unserem ganzen Hab und Gut vollständig niederbrannte.

Ich, ein 13jähriges Mädchen, verwaiste, blieb alleine ohne die Eltern, ohne Zuhause, ohne Brot, ohne Kleider und Schuhe. Die Nächsten und Bekannten sorgten für mich, aber bis heute empfinde ich all dieses Leid und Unglück, das mir die deutschen Soldaten zugefügt haben, und kann dieses furchtbare Erlebnis nicht vergessen.

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Ich füge ein Dokument bei, in dem die noch lebenden Augenzeugen mit ihren eigenhändigen Unterschriften bestätigen, dass meine Eltern von den deutschen Soldaten erschossen wurden.

Zugleich schicke ich Ihnen den Auszahlungsabschnitt meiner so bescheidenen Rente, die mir fürs Leben, für Medikamente und Gebühren nicht reicht. Daher bitte ich Sie, meine Bitte positiv zu erledigen.

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DZSW 1373
Kurzbeschreibung

Marianna K. stammt aus einem kleinen Dorf an der jetztigen polnisch-ukrainischen Grenze. Sie wurde nicht zur Zwangsarbeit verpflichtet, schildert in ihrem Brief eindringlich die herrschenden Verhältnisse in der Kriegszeit, da sie als kleines Mädchen ein Trauma erlebte.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1928

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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