Abschrift: xxxxx

geboren am 25. Januar 1925

Während des Krieges wohnte ich bis Juni 1940 in Warschau und als Minderjährige wurde ich nach Deutschland verschleppt. Die Stadt hieß Premnitz, Kreis Brandenburg. Ich arbeitete in der Fabrik IG Farben Industrie und wohnte im D.F. Lager an der Havel. Darf ich Ihnen schreiben, daß es mir dort gar nicht schlecht ging? Ich machte meine Stunden und war dann frei. Schlimmer war es mit dem Essen. Ich hatte die Essenkarte für die Kantine, für die ich 7 Mark wöchentlich zahlte. Heute würde ich das vielleicht nicht essen. Aber ich trage nichts nach: Die Deutschen hatten auch wenig, da alles an die Front ging. Es gab eine katholische Kirche und einmal im Monat ministrierten die polnischen Jungs bei der heiligen Messe. In der Fabrik erfuhr ich keinerlei Erniedrigungen seitens meiner Vorgesetzten. Einmal schlug mich ein Arbeiter ins Gesicht, mit dem ich zusammen arbeitete. Das war aber meine Schuld. Ich begann zu weinen. Der Meister kam und fragte, warum ich weine. Dieser Arbeiter sagte, er wisse nicht warum. Der Meister daraufhin: „Ihr arbeitet doch zusammen.“ Dann gab er es zu. Der Meister: „Man darf sie nicht schlagen. Sie hat ihre Mutter in Warschau und wenn sie ihr schreibt, du hast sie geschlagen, wirst du dich schämen.“

Die deutsche Bevölkerung behandelte uns verhältnismäßig gut. Was aber die anderen Nationalitäten, wie die Russen oder Ukrainer betrifft, ist es peinlich, darüber zu schreiben.

Einmal fuhr ich nach Brandenburg und im Zug gab es eine Kontrolle. Uns war nicht erlaubt, irgendwohin zu fahren. Die Gestapo war bereits im Korridor. Eine deutsche Frau saß da mit zwei Kindern und sie gab mir ein Kind auf den Schoß. So gingen sie vorüber, da sie dachten, ich sei eine Deutsche. Ich bedankte mich bei der Frau sehr herzlich, denn ich wäre zur Strafe in Potsdam gelandet. Meine Familie arbeitete bei ... (unverständlich - Anm. d. Ü.) und ihnen ging es sehr gut.
Ich habe einige Fotos aus dem Lager in Premnitz, die ich vorerst nicht abschicke, und ein Foto nach der Bombardierung. Am 1. Januar 1945 hörte die Fabrik auf zu arbeiten, wegen des Mangels an Brennstoffen. Und uns brachte man zum Ausheben der Gräben in Grening in der Nähe von Berlin. So war es bis zur Befreiung 1945. Im Juli kehrte ich nach Warschau zurück. Heute lebe ich in Stettin, xxxxx. Ich bin 74 Jahre alt. Und mein Traum ist, noch einmal nach Premnitz zu fahren.
Wenn Sie mir antworten, kann ich noch über andere Sachen berichten.

Hochachtungsvoll
xxxxx

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DZSW 1473
Kurzbeschreibung

Die minderjährige Jadwiga M. wird aus Warschau nach Brandenburg deportiert. In ihrem kurzen Brief berichtet sie über den freundlichen Umgang mit Deutschen.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1928

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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