Abschrift: Xxxx

akademische Ausbildung, Beruf: Ingenieur Elektriker

Erinnerungen aus der Zeit des Aufenthaltes in Berlin in den Jahren 1943 und 1944

Ich wurde am 9. September 1927 in Lodz geboren. Die Namen meiner Eltern: xxxx xxxx

1940 kamen deutsche Beamte zur Überzeugung, daß meiner Mutter einer deutschen Familie abstammt, und schlugen ihr vor, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Als sie es abgelehnt hatte, deuteten sie an, ich kann nach Deutschland verschleppt werden. Am 29. Juni 1942 wurde ich zum Arbeitsamt vorgeladen, wo der Bauer xxxx bereits auf mich wartete, der zwei Gehöfte in Retkinia, ein paar Kilometer westlich von Lodz zugewiesen bekam.

Mit meiner Arbeit war der Bauer nicht zufrieden, denn die Kühe, die ich hütete, richteten oft Schaden an und liefen von der Weide in ihren Kuhstahl davon. Darüber hinaus verletzte ich mich beim Heckseldreschen schlimm am Finger. Eines Tag wurde ich vom Bauern zusammengeschlagen, ich lief davon und ging nach Hause. Am nächsten Tag ging meine Mutter mit mir zu dem Bauern und regelte mit ihm meine Entlassung.

Man nahm mich zur Arbeit in der Weberei bei der Firma Hoffmann an, bei der auch meine Mutter arbeitete. Nach einem Jahr Arbeit kamen am 9. Oktober 1943 zwei Deutsche in die Firma und holten mich zu der Sammelstelle ab, von wo aus die Menschen nach Deutschland geschickt wurden. Auf dem Morgenappell führten ein paar Deutsche die Selektion durch, wobei sie den nordischen Typus für die sogenannte „Rasse“ aussuchten. Mich hat man nicht ausgesucht. Die ärztliche Kommission prüfte, ob jemand beschnitten war. Am nächsten Tag wurde ich beim Morgenappell aufgerufen und man wies mich in die „Rassengruppe“ ein.

Nach Franfurt an der Oder fuhren wir mit dem Personenzug, im Wagen dritter Klasse. Von Frankfurt brachte man uns nach Berlin. In Berlin bekamen wir die Arbeitszuweisung: in den Flachsbetrieb in Fehrbellin. In Fehrbellin schliefen wir in einer großen Halle auf dem Stroh. Jeder, auch diejenigen, die nicht volljährig waren, bekam die Zigarettenzuteilung. Ich tauschte sie gegen Lebensmittel. Nach dem Abschluß der Flachsernte gingen wir zurück nach Berlin, wo man uns Arbeit in der Rüstungsfabrik „Spreewerke“ zuwies. Ich arbeitete im siebenten Stock, wo ich Gewehrläufe zuschnitt. Ich bekam einen Lohn in Höhe von 15 Mark für 12 Stunden Arbeit. Zum Schlafen bekam ich ein Bett mit zwei Decken in einer riesengroßen Halle zugeteilt, in der einige Hunderte von Menschen schliefen. Ein Teil der Halle wurde für den Waschraum abgetrennt.

Während meines Aufenthaltes in Berlin gelang es mir einmal, meinen Kollegen zu besuchen, der im Ostteil der Stadt war. Dann war ich einmal an der Spree und schaute mir die Barken an. Auf dem Rückweg gelangte ich zufällig auf einen Platz, der wohl durch Luftminen völlig zerstört war.

Neben der Halle, in der ich schlief, gab es eine Siedlung von Baracken, in denen ebenfalls Polen wohnten. Sie behaupteten, vor unserem Ankommen seien die Luftalarme eine Seltenheit gewesen. Und gleich nachdem wir angekommen waren, begannen systematische Bombardierungen und Luftangriffe. Eines Nachts wurden unsere Baracken bombardiert. Von ein paar Dutzend blieb nur eine einzige Baracke heil. In der Halle zersprangen die Fensterscheiben und der Schnee oder Regen fiel auf die Betten. Zum Glück wurde der Bau der neuen Barackensiedlung beendet, und man verlagerte uns dahin. Aber in Kürze wurden auch die neuen Baracken bombardiert und völlig niedergebrannt. Es blieb nur die Kantine und das Wachhaus. Ich kehrte in die mir wohlbekannte Halle zurück. Obgleich ich nicht volljährig war, wies man mir Arbeit in der Nachtschicht zu.

Eines Tages gab es Luftalarm, aber während wir die sieben Stockwerke herunterliefen, fielen schon die Bomben auf den Betrieb. Gott sei dank, es war nicht weit zum Bunker. Ein paar Stockwerke des Produktionsgebäude brannten nieder. Es begann die Demontage der unversehrten Maschinen, die dann nach Grottau in den Sudeten abtransportiert wurden.
Mir eiterten die Ohren. Der Arzt verschrieb mir Bestrahlungen mit der Quarzlampe. Nachdem die Maschinen vollständig demontiert wurden, schickte man uns nach Grottau, in der Nähe von Zittau, wo wie die Maschinen wieder zusammensetzten, und die Produktion wurde aufgenommen.

Hochachtungsvoll
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DZSW 1417
Kurzbeschreibung

In der Rüstungsfabrik "Spreewerke" erhielt Jan O. die Zuweisung zur Nachtschichten, obwohl er noch nicht volljährig war. Als der Betrieb durch einen Luftangriff zerstört wurde, siedelte ein Teil des Betriebes nach Grottau bei Zittau, wo Jan O. seine Zwangsarbeit wieder aufnahm.

 

Herkunftsland: Polen

Geburtsjahr: 1927

Angaben zur Zwangsarbeit

© Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit / Slg. Berliner Geschichtswerkstatt

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